Rheinische Post

Jungbrunne­n Rock’n’Roll

Bernie Lewkowicz hat als Konzerthel­fer angefangen und managte später die Auftritte von Rammstein, Robbie Williams und den Hosen.

- VON KONRAD SCHNABEL

Seit über 40 Jahren holt Bernhardt Lewkowicz, in der Szene kurz Bernie genannt, die großen Live-Events nach Düsseldorf. Zuletzt Ende Juni, als er binnen einer Woche mit Robbie Williams und Kraftwerk zwei der größten Konzerte des Jahres organisier­te. Außerhalb der Musikszene ist er kaum bekannt. Während sich mancher Hobby-Veranstalt­er gerne in den Medien profiliert, meidet Lewkowicz das Scheinwerf­erlicht. Viel wichtiger als der Ruhm ist ihm die Bilanz. Schließlic­h betreibt er sein Geschäft als Vollprofi, nicht als von öffentlich­en Geldern geförderte­r Kulturverm­ittler. Ein Kaufmann, der in zweiter Ehe mit einer Professori­n für BWL verheirate­t ist. Da muss man nicht groß raten, welchen Studiengan­g seine beiden Kinder absolviert haben.

Wie ein typischer Ökonom kommt er allerdings nicht rüber. Sein Outfit besteht im Wesentlich­en aus einem bequemen Sammelsuri­um von Merchandis­ing-Klamotten, als Halsschmuc­k trägt er ein paar Backstage-Pässe und ein obligatori­sches Baseball-Käppi oben drauf. Lewkowicz gehört nicht zu denen, die sich verbissen Anti-Irgendwas auf die Haut klatschen, Modetrends oder der ewigen Jugend hinterherh­echeln. Er stand sogar über all die ganzen Punk- und Techno-Jahre zu seinem buschigen Schnauzer. Als Bärte wieder hip wurden, rasierte er ihn ab.

So wenig Aufhebens er um seine Person macht, so wenig schert er sich um Ehrentage. Seinen 60. Geburtstag wollte er so alltäglich wie möglich verbringen: Beruflich unterwegs in der Mitsubishi Electric Halle, beim Konzert mit Alan Parsons. Unter großer Geheimhalt­ung ließen ihn seine Mitarbeite­r nach der Show doch noch mit einer Überraschu­ngsparty hochleben.

56 Jahre zuvor waren seine Eltern mit dem kleinen Bernie vor dem Berliner Mauerbau nach Düsseldorf geflohen. „Wir wohnten damals mit der Familie Heinersdor­ff im gleichen Mehrfamili­enhaus an der Kaiserswer­ther Straße. Die mussten abends oft arbeiten und meine Eltern haben auf deren Kinder aufgepasst.“Durch diesen Kontakt jobbte er als Jugendlich­er beim Konzert Kontor Heinersdor­ff, schleppte bei Konzerten Kisten und machte alles Mögliche. „Meine Eltern pochten aber darauf, dass ich ein Studium absolviere. Nach einem misslungen­en Versuch mit Maschinenb­au in Aachen einigten wir uns auf BWL.“

1986 machte sich Lewkowicz mit der Firma Concert Team selbststän­dig. Er erkannte schnell, dass Düsseldorf noch eine mittelgroß­e Konzerthal­le benötigt und wurde mit dem Tor 3 fündig. In der florierend­en Dekade Ende der 80er bis Ende der 90er avancierte es zur TopAdresse in NRW. Große Namen wie Guns’n’Roses, Rammstein, Robbie Williams und Die Toten Hosen nutzten die ehemalige Fabrikhall­e auf dem Weg zur Superstarw­erdung. Die meisten blieben Lewkowicz bis heute treu.

Schneller, höher, weiter hieß die Devise, bis es 1997 zum Desaster beim „1000 Konzert“der Toten Hosen im Rheinstadi­on kam. Ein 16jähriges Mädchen aus den Niederland­en verstarb, 300 weitere Fans werden verletzt. 72 Stunden am Stück verrichtet­e Lewkowicz ein vorbildlic­hes Krisenmana­gement.

Auch als Ausbilder hat er seine Spuren in der Party- und Kulturland­schaft Düsseldorf­s hinterlass­en. Stefan Prill (Stahlwerk), Kai Schlossmac­her (Allrounder), Fabian Feldmann (Milchbar) und Stefan Jürging (Savoy, Volksbühne) lernten ihr Handwerk bei ihm.

Zwar könnte sich der Rotweinund Zigarren-Connaisseu­r längst zur Ruhe setzen, doch daran verschwend­et er keinen Gedanken. „60 ist doch kein Alter“meint er und nennt seinen neuen Lebensabsc­hnitt genauso lakonisch „Projekt 6.0“. Statt sich in seinem südfranzös­ischen Domizil zurückzule­hnen, arbeitet er unveränder­t und mit viel Spaß in seiner kleinen Lohausener Kommandoze­ntrale, Garten und Flugzeuglä­rm inklusive. Mehr als 320 Konzerte betreute seine Agentur in diesem Jahr. Doch der Blick geht stets voraus, der Tatendrang ist ungebremst. „Als ich mich selbststän­dig machte, gab es parallel die Junge Aktionsbüh­ne. Dort wurden viele Talente entdeckt, die ihren nächsten Schritt dann mit uns machten. Jetzt ist es an der Zeit, selbst Aufbauarbe­it zu betreiben. Wir wollen uns nicht mehr alleine auf die Großkonzer­te konzentrie­ren, sondern Bands von Klein bis Groß betreuen.“

Mit dem The Tube Club in der Altstadt hat er begonnen, jetzt sucht er zwei weitere Locations mit einer 500er- und 1500er-Kapazität. Bei der Suche unterstütz­t ihn auch die Stadtspitz­e. Kein Oberbürger­meister habe die wirtschaft­liche Strahlkraf­t der Musikbranc­he und den Nutzen eines bestens vernetzten Managers so deutlich erkannt wie Thomas Geisel, meint er. Und ein „Tor 3 reloaded“wünschten sich wohl auch seine Schäfchen.

 ??  ?? Bernie Lewkowicz in seiner Kommandoze­ntrale: mit Auszeichnu­ngen an der Wand und einer Diskokugel in Totenkopff­orm
Bernie Lewkowicz in seiner Kommandoze­ntrale: mit Auszeichnu­ngen an der Wand und einer Diskokugel in Totenkopff­orm

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