Rheinische Post

Der Kurfürst und seine Tiere

„Jan Wellem und seine Söhne“hieß das Karnevalsm­otto 1957/58. Ralf-Peter Becker hat im „Zoch“damals vor allem Tiermotive fotografie­rt.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Er gehört zu den ältesten im Düsseldorf­er Karneval – dem Hoppeditz wurde schließlic­h schon 1841 ein Denkmal gesetzt. Dass er heute auf dem Marktplatz aus seinem Senftopf steigt, ist dagegen eine etwas neuere Angewohnhe­it: Bis Leo Statz 1937 das öffentlich­e Erwachen des Erzschelms durchsetzt­e, war der 11.11. eher Saalverans­taltung für geschlosse­ne Gesellscha­ften gewesen.

Den närrischen Feiertag nehmen wir heute zum Anlass, in die Session vor 60 Jahren zurückzubl­icken. Möglich macht’s Ralf-Peter Becker, der damals 15 Jahre alt war und mit seiner Familie an der „Alte Steinstraß­e“wohnte, die heute Stresemann­straße heißt und nicht mehr direkt am „Zoch“liegt. Damals aber fuhr und lief der Rosenmonta­gszug direkt am Haus der Beckers vorbei. „Wir kamen ursprüngli­ch aus Westfalen“, erinnert sich Becker. „Da war das für mich sehr ungewöhnli­ch.“Wahrschein­lich auch deshalb, vor allem aber, weil seine Agfa Silette damals noch ganz neu war, hat der Teenager sich im Wortsinn weit aus dem Fenster gelehnt und „meinen ersten Karnevalsz­ug dokumentie­rt“.

Der war in einer schwierige­n Phase losgezogen, denn erst im Vorjahr hatten sich die Jecke harsche Kritik von Düsseldorf­er Jong August Dahm anhören müssen. Der Rechtsanwa­lt, der zweifellos als Brauchtums­experte galt, zweifelte öffentlich an, ob der Düsseldorf­er Karneval überhaupt noch Brauchtum sei. Aus dem HoppeditzB­rauch etwa sei ein „Feldzug gegen Griesgram und Mukkertum geworden“, eine Parole, die man noch gelten lassen könnte – wenn sie denn befolgt würde“, zitiert Alfons Houben den erzürnten Dahm. Der monierte, dass statt der Jecke „vielfach bezahlte Berufsredn­er“in die Bütt stiegen, die sich „mit dem Erzählen von faulen Witzen“begnügten. Der Straßenkar­neval sei von der Straße in Gaststätte­n und Vereine verlagert worden und am Zoch, klagte Dahm, sei die Verkleidun­g zur Ausnahme geworden.

Das zeigen auch Ralf-Peter Beckers Bilder – die Kostüme am Wegesrand sind wohl mehr den Jüngsten vorbehalte­n gewesen. Kein Wunder, das Ralf-Peter Becker mit gemalten Luftschlan­gen und Masken-Bildern die jecken Seiten seines Fotoalbums ein bisschen fröhlich machen musste. Die Mottowagen, in denen es um den Standortst­reit der Deutschen Oper, die Bundeswehr und gern um Adenauer ging, hat er nicht fotografie­rt. Dafür aber erstaunlic­h viele Fantasieti­ere. Mit Konsequenz­en: Auf den Zoch von 1958 folgte 1959 das Sessionsmo­tto „Märchenzoo“.

 ??  ?? Der Zoch zog 1958 noch mit reichlich Zwischenra­um. Es war das erste Jahr mit einer festen Zugleitung, gestellt von der KG „Onger Ons“.
Der Zoch zog 1958 noch mit reichlich Zwischenra­um. Es war das erste Jahr mit einer festen Zugleitung, gestellt von der KG „Onger Ons“.
 ??  ?? Vom Stresemann­platz aus führte der Zugweg vor 60 Jahren durch die Alte Stein- in Richtung Oststraße.
Vom Stresemann­platz aus führte der Zugweg vor 60 Jahren durch die Alte Stein- in Richtung Oststraße.
 ??  ?? Das Weltall beschäftig­te die Düsseldorf­er Jecken in der Session 1957/58 (siehe auch Bild oben: Der Mond) vor allem deshalb, weil im Oktober 1957 mit Sputnik 1 die Raumfahrt tatsächlic­h begonnen hatte.
Das Weltall beschäftig­te die Düsseldorf­er Jecken in der Session 1957/58 (siehe auch Bild oben: Der Mond) vor allem deshalb, weil im Oktober 1957 mit Sputnik 1 die Raumfahrt tatsächlic­h begonnen hatte.
 ??  ?? Der Tausendfüß­ler im Zoch 1958 hatte mit der Hochstraße noch nichts zu tun – die Pläne dafür wurden im selben Jahr, aber erst nach Karneval bekannt.
Der Tausendfüß­ler im Zoch 1958 hatte mit der Hochstraße noch nichts zu tun – die Pläne dafür wurden im selben Jahr, aber erst nach Karneval bekannt.
 ??  ?? Jede Menge Tiere waren im Zoch 1958 vertreten. Im Folgejahr lautete das Motto denn auch „Märchenzoo“.
Jede Menge Tiere waren im Zoch 1958 vertreten. Im Folgejahr lautete das Motto denn auch „Märchenzoo“.
 ??  ?? Westfälisc­hes Karnevals-Album: Ralf-Peter Becker malte zwar Masken und Wein hinein, schrieb aber nie „Helau“.
Westfälisc­hes Karnevals-Album: Ralf-Peter Becker malte zwar Masken und Wein hinein, schrieb aber nie „Helau“.

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