Rheinische Post

St. Martin: Weniger Kinder „gripschen“

Ein Grund: Süßigkeite­n sind für die Kleinen nichts Besonderes mehr.

- VON OLIVIA KONIECZNY

DÜSSELDORF Ob in Neuss, Kaarst oder Dormagen: In diesem Jahr sind bislang offenbar weniger St.-Martinssän­ger unterwegs als in den Vorjahren. Selbst in der Nähe von Grundschul­en, wo sich die Kinder zum Umzug versammeln, stellen Anwohner fest, dass nach dem Zug nicht mehr so oft an der Tür geschellt wird wie früher, um zu „gripschen“, wie die Tradition mancherort­s heißt.

Dabei haben Anwohner wie zum Beispiel in Dormagen in der Nähe von Grundschul­en extra Einfahrten und Haustüren mit Laternen ge- schmückt, um zu signalisie­ren, dass jemand zu Hause ist und geklingelt werden darf.

Dagmar Hänel vom LVR-Institut für Landeskund­e und Regionalge­schichte in Bonn sagt, dass Süßigkeite­n nichts Besonderes mehr wären für die Kinder. „Sie sind sehr preiswert geworden und gehören für viele Kinder zum Alltag“, sagt Hänel. Die Kinder würden dabei auch immer öfter von ihren Eltern begleitet. „Das hat sicherlich etwas mit der allgemeine­n Tendenz zu tun, die Kinder stärker zu behüten, sie zu kontrollie­ren und vor – möglichen wie erdachten – Gefahren zu bewahren“, erklärt Hänel. Dabei ge- höre zum Martinssin­gen gerade auch das Moment der Grenzübers­chreitung: „Es ist aufregend und spannend, im Dunkeln ohne Erwachsene, nur mit anderen Kindern, durch die Gegend zu ziehen.“Das sei vielen Eltern heute aber zu unsicher. „Das ist verständli­ch und nachvollzi­ehbar. Aber es wirkt sich auf solche Brauchtums­formen unmittelba­r aus.“Je weniger Kinder es machten, umso mehr werde der Brauch zurückgedr­ängt. Das sieht auch St.-Martin-Experte Manfred Becker-Huberti so. „Je mehr das Christlich­e in der Gesellscha­ft erodiert, umso mehr geht auch dieser Bezug verloren“, betont er.

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