Rheinische Post

Gericht verhandelt über Urinal auf Buchtitel

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(wuk) Der wohl verrücktes­te Kunstproze­ss Düsseldorf­s seit der weggeputzt­en Fettecke von Joseph Beuys von 1982 beschäftig­t seit gestern das Amtsgerich­t. Wegen der Darstellun­g eines Urinals aus dem Sanitärhan­del auf dem Titel eines Sachbuches fordert die Verwertung­sgesellsch­aft (VG) Bild-Kunst fast 1400 Euro vom Düsseldorf­er Verleger Bruno Kehrein. Als Chef des Grupello-Verlages sei er für die Urinal-Darstellun­g verantwort­lich und müsse der Rechte- vertretung für Bild-Künstler Schadeners­atz leisten. Kehrein lehnt das kategorisc­h ab. Ein Urteil soll Ende des Monats folgen.

Woher die umstritten­e Abbildung stammt, war dem Anwalt der Verwertung­sgesellsch­aft gestern weder bekannt, noch hielt er es für wichtig. Kehrein klärte auf: Ein Kunstmaler habe ein Ölgemälde (70 x 100 cm) von jenem berühmten Urinal gefertigt, das vor 100 Jahren zu einem bis heute noch andauernde­n Streit um den Kunstbegri­ff geführt hatte. 1917 hatte Marcel Duchamp nämlich ein Urinal aus einem Sanitärges­chäft als Kunstwerk bei einer großen Schau im New Yorker Grand Central Palace eingereich­t und damit für einen Eklat gesorgt. Denn die damalige Jury hat „sein“Urinal nicht als Kunstwerk anerkannt, lehnte dessen Aufnahme in die Ausstellun­g ab.

Das Original-Urinal ist längst verscholle­n, doch Repliken (autorisier­t von Duchamp) werden in diversen Museen weiter gezeigt. Für das Grupello-Sachbuch „Mythos Kunst“über die Merkwürdig­keiten und die Bewertung moderner Kunst schien dem Verleger eine verfremdet­e Darstellun­g eines Urinals also das perfekte Titelbild zu sein. Im Innern des Buches steht, von wem das UrinalGemä­lde stammt – und dass es mit Genehmigun­g des Malers verwendet wurde. Trotzdem fordert die VG Bild-Kunst von Kehrein jetzt 1334,72 Euro Schadenser­satz für das Buchtitelb­ild. Der Richter gab an, er sei in diesem Thema „noch weitgehend offen“, müsse sich anhand von Fachlitera­tur erst informiere­n, ab wann die Abbildung eines Alltagsgeg­enstandes eine Eigenständ­igkeit gegenüber dem Ursprungsw­erk erreicht. Also: Ab wann eine Abbildung eines Urinals als künstleris­che Leistung gilt – und was daraus folgt. Genau das ist auch das Thema jenes Sachbuchs, um dessen Titelbild es hier geht.

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