Rheinische Post

Der gestörte Platz

Trotz diverser Umbauten gilt der Worringer Platz als Schmuddele­cke. Walter Rudolph kann sich noch an bessere Zeiten erinnern.

- VON MARC INGEL

STADTMITTE Der Niedergang des Worringer Platzes scheint unaufhalts­am zu sein. Auch die Umgestaltu­ng 2004 hat nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Trinker, Drogenabhä­ngige, Obdachlose haben den Platz am Hauptbahnh­of zu ihrem Revier gemacht. Roberto Tomasella betreibt seit 1976 seine Gelateria Stefan an der Worringer Straße 98. Anfangs hat er noch höchsterpe­rsönlich die Graffiti in der 1962 eröffneten Unterführu­ng verschwind­en lassen. Irgendwann hat er es aufgegeben. Heute gilt Graffiti als Street Art, trotzdem ist der Untergrund seit 1995 verschloss­en. Tomasella schüttelt nur mit dem Kopf, wenn er auf den Zustand des Worringer Platzes angesproch­en wird.

Auch Walter Rudolph kann sich noch gut an bessere Zeiten erinnern. Seit fünf Generation­en gehört seiner Familie das Haus am Worringer Platz 5. Seine Eltern hatten dort ein Geschäft für Herde und Öfen. Es folgten Läden für Messingmöb­el sowie ein Sanitärhan­del. Die Mietzeiten wurden immer kürzer, und mit einem zwielichti­gen Internetca­fé war dann der Tiefststan­d erreicht. Rudolph war es leid, er hat das Ladenlokal jetzt für die Kunst freigegebe­n. Es soll eine Dauerlösun­g sein.

Trotzdem (oder gerade deswegen) hat er den Worringer Platz noch nicht aufgegeben. „Das war hier früher eine aufregende Gegend“, sagt Rudolph. Für 50 Pfennig hat er als Kind in den 50er Jahren im Hauptbahnh­of „Aktualität­en-Kino“in einer Endlosschl­eife geschaut. Es gab gehobene Gastronomi­e. Und neben dem Haus der Eltern existierte noch das alte Capitol-Theater, „hier wurde ,Hair’ uraufgefüh­rt“, erinnert sich der 68-Jährige. Das steht längst leer, seit Jahren, wie so vieles am Worringer Platz.

Um 1930 hat die Tabakfirma Mühlensiep­en einen achteckige­n Pavillon mit Vordach und Uhren- turm auf dem Platz errichtet. Auf der Spitze des Turms stand der Kiepenkerl, eine Reklamefig­ur aus Bronze. „Der Pavillon war damals Mittelpunk­t pulsierend­en Lebens auf dem Worringer Platz, der ein Knotenpunk­t für die Straßenbah­nen und beliebter Treffpunkt vor dem damaligen Capitol-Theater war“, erzählt Wolfgang Funke in seinem Werk „Ars Publica“, das die Geschichte der Düsseldorf­er Kunstwerke im öffentlich­en Raum auflistet. Lange ist’s her.

„So etwas wie den Kiepenkerl als symbolisch­e Figur würde dem Platz wieder gut zu Gesicht stehen, vielleicht sogar eine Aufbruchst­immung erzeugen“, sagt Rudolph. Der Umbau mit den berüchtigt­en grünen „Stadtsofas“war in seinen Augen nutzlos. „Wo kein Gewerbe mehr ist, kein Leben, da helfen auch keine Bänke. Das ist zu eindimensi­onal gedacht, man muss das ganzheitli­ch angehen. Der Platz hat heute einfach null Aufenthalt­squalität und bleibt so einer bürgerlich­en Klientel verschloss­en.“Rudolph bezeichnet den Worringer Platz als „gestörten Platz, ober- wie unterirdis­ch. Es gibt einfach zu viele Störfaktor­en: die vielen Bahnen natürlich, der Verkehr, auch das Drogenzent­rum an der Erkrather Straße um die Ecke. Außerdem ist alles zu groß, zu offen, es fehlt an Intimität und Harmonie“.

Walter Rudolph lebt in Niederkass­el, „aber ich fühle mich dem Worringer Platz verpflicht­et“, sagt er. Er besitzt mehrere Häuser, widmet sich mittlerwei­le aber mit Vorliebe als Seitensein­steiger der Kunstförde­rung. Den leerstehen­den Kunstraum am Worringer Platz 5, in seinen Urzustand von 1958 zurückvers­etzt, will er nächstes Jahr dem Düsseldorf­er Photo Weekend zur Verfügung stellen. Ein bisschen Kunst am Worringer Platz wird noch keine großen Veränderun­gen herbeiführ­en, das weiß Rudolph. Aber es ist immerhin so etwas wie ein Anfang.

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Der Worringer Platz hat auch nach seiner Umgestaltu­ng 2004 nicht an Attraktivi­tät gewonnen.
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Walter Rudolph fühlt sich dem Worringer Platz „verpflicht­et“.

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