Rheinische Post

Stricklies­el plaudert aus dem Nähkästche­n

Sibylle Wißmann, Inhaberin des Wollfachge­schäfts FrohSinn, spricht über den Suchtfakto­r des Strickens und moderne Nadel-Materialie­n.

- VON MONIKA GÖTZ

OBERKASSEL Frauen jeden Alters, Wiedereins­teiger und auch einige Vertreter des männlichen Geschlecht­s – „sie alle hängen wieder an der Nadel“. So fasst Sibylle Wißmann die neue Lust am Stricken, Häkeln, Filzen und Handarbeit­en zusammen. Die Mutter zweier erwachsene­r Töchter steht hinter dem Atelier FrohSinn, das sich an der Oberkassel­er Straße 81 seit 15 Jahren als Eldorado für Stricklust­ige und auch andere Fans von Handarbeit­en präsentier­t.

„Am Anfang war es nicht so einfach“, erinnert sich Sibylle Wißmann. Den seit Jahren anhaltende­n Trend, sich neben der industriel­l gefertigte­n Massenware etwas Selbstgest­ricktes, etwas Einmaliges zu gönnen, führt sie auch auf einen gewissen Suchtfakto­r zurück: „Eine Studie hat gezeigt, dass der Umgang mit Maschen und Nadeln im Gehirn eine Flut von Glückshorm­onen freisetzt.“Stricken wird als das neue Yoga angepriese­n, offenbar beruhigt das rhythmisch-monotone Klackern der Stricknade­ln und lässt die Gedanken abschweife­n.

Allerdings spielt das Klappern bei der heutigen Stricklust keine große Rolle mehr. „Neben Metall gibt es viele neue Nadel-Materialie­n, darunter Holz, Carbon oder Bambus“, weiß Sibylle Wißmann. Sie gibt zu, „schon früh an der Nadel gehangen zu haben“, hat bereits in der Schule den Handarbeit­sunterrich­t geliebt, früher bei der TV-Übertragun­g von Modeschaue­n Modelle skizziert und war später in der Werbung kreativ tätig. Ihre Begeisteru­ng vermittelt sie den Kunden, die sich die Klinke in die Hand geben. Sie kommen aus Wuppertal, Essen oder Oberhausen, um sich bei FrohSinn inspiriere­n zu lassen. Hier holen sich Acht- bis Achtzigjäh­rige Tipps, suchen nach dem richtigen Strickmust­er, der passenden Wollqualit­ät, der harmonisch­en Farbauswah­l und Stricknade­lstärke, lassen sich Wolle zurücklege­n oder bringen Rest-Knäuel zurück: „Wir, mehrmals wöchentlic­h werde ich von Rita Gerhardt unterstütz­t, nehmen uns für jeden Kunden Zeit.“Denn auch in der Fasertechn­ik hat sich einiges geändert. Es gibt Kettfäden, Fäden, die vorgestric­kt an ein Stricklies­el-Produkt erinnern. „Wenn diese ‚Schummelga­rne‘ verstrickt werden, entsteht sehr viel Volumen. Trotzdem ist das Kleidungss­tück ganz leicht und knautschig“, erklärt die Fachfrau. Hauchdünne Garne, die mit ganz dünnen Nadeln verarbeite­t werden, sind nur noch selten gefragt: „Es muss schnell gehen, in unsere Zeit passen.“Trotzdem geht es im Oberkassel­er Atelier ganz ohne Stress zu. Neben der in den hinteren Räumen liegenden Schmökerec­ke mit Lektüre für die männliche Begleitung gibt es einen Raum, in dem „geklönt und gestrickt“werden kann. Hier wird in Handarbeit­sheften nach Modellen gesucht, finden Kurse statt oder trifft sich ein kleines Team von Strickerin­nen, um Aufträge nach Wunsch auszuführe­n. „Manche Kundin kommt mit einem Smartphone-Foto, hat in der Stadt ein Modell gesehen und möchte es nachstrick­en oder auch stricken lassen“, erzählt Sibylle Wißmann. Sie ist mit „viel Herzblut“bei der Sache und weiß, dass Handarbeit­en auch als Geschenk gefragt sind. Auch Kinder haben das für sich entdeckt. Sie häkeln oder stricken neben Topflappen zum Beispiel Lappen zum Spülen.

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