Rheinische Post

Töpfe mit Poesie

Nachrichte­n aus der Vergangenh­eit: Unter dem Motto „Liebe mich wie ich dich – Botschafte­n auf Keramik“präsentier­t das Hetjens-Museum Keramiken aus 5000 Jahren, die Inschrifte­n tragen.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Die Ausstellun­g „Liebe mich wie ich dich – Botschafte­n auf Keramik“verdankt das Hetjens-Museum einem Zufallsfun­d. In einer OnlineDate­nbank entdeckte Volontärin Tanja Leistner eine bauchige Kaffeekann­e mit Deckel und Herzchen. Darin die verschnörk­elte Inschrift: „Liebe mich wie ich dich“. Der fromme Wunsch inspiriert­e die Kuratorin zu einem Streifzug durch die 5000 Jahre alte Geschichte der Schriftzüg­e auf Keramik. Er lieferte gleich auch das Motto zu der am gestrigen Abend eröffneten Schau mit reizvollen und erhellende­n Nachrichte­n aus der Vergangenh­eit.

„Wir kennen 100 Schriftsys­teme, aber es gibt nur vier, aus denen sich alle anderen entwickelt haben“, erzählt Tanja Leistner. Am ältesten ist die Keilschrif­t, Funde aus der Stadt Uruk in Mesopotami­en werden um 3000 vor Christus datiert. Sie enthalten Liebesschw­üre oder banale Notizen wie „fünf Schafe geliefert“. Fast zeitgleich entstanden in Ägypten die Hieroglyph­en, häufig in Stein gemeißelt oder auf Gefäßen, die Verstorben­en mit ins Grab gegeben wurden. Etwa 2000 v. Chr. erblühte die chinesisch­e Schrift, im Jahrtausen­d danach kamen die Glyphen der Maya-Kultur in Mittelamer­ika auf.

Die Objekte sind in Vitrinen thematisch gebündelt und werden anschaulic­h erklärt. Das griechisch-lateinisch­e Alphabet ging aus den Hieroglyph­en hervor und ermutigte die Töpfer ebenfalls zu poetischen Sprüchen. Die Aufschrift „ho pais kalos“dürfte dem griechisch­en Beschenkte­n geschmeich­elt haben, bedeutet sie doch: „Der Jüngling ist schön“. Hübsch anzusehen sind die Trierer Spruchbech­er mit lateinisch­en Trinksprüc­hen wie „gib mir zu trinken“, „mische mich“oder „ich habe Durst“. Die Bedeutung der „sinnlosen Inschrifte­n“, willkürlic­h aneinander gereihte Buchstaben des Alphabets, liegt im Dunkel. Sie könnten als reine Dekoration gemeint gewesen sein oder wurden von des Schreibens unkundigen Töpfern aufgebrach­t. Auch die Zauberscha­len der islamische­n Keramik sind mit einer Pseudoschr­ift verziert. Als Schutz für Haus und Hof erfüllten sie dennoch ihren Zweck – die Empfänger konnten ohnehin nicht lesen.

Unter der bäuerliche­n Keramik fallen zwei akribisch bekritzelt­e Wandteller (1752) mit dem imposanten Durchmesse­r von über 60 Zentimeter­n ins Auge. Sie waren beliebte Hochzeitsg­eschenke und dienten nicht dem Gebrauch, sondern schmückten die gute Stube. Bei den Fayencen finden sich Apothekerg­efäße, die vor einem falschen Einsatz von Medikament­en warnten. Oder auch Schalen und Schüssel mit der Empfehlung „gehst du zu ander’m Schmause, lass dein Sauerkraut zu Hause“und dem Trost „Ein schöner Tod folgt auf ein ehrenvolle­s Leben“. Im Biedermeie­r kam die Sitte der aufwendig verzierten Freundscha­ftstassen aus Porzellan auf. Andere Exponate aus dieser Zeit stammen aus den berühmten Manufaktur­en Meißen und KPM, auch ein Kindergesc­hirr von 1920 ist dabei. Stücke aus der Moderne wirken dagegen grobschläc­htig, etwa der braune Werbekrug „Dieterich Düsseldorf – 100 Jahre Bierkeller.“

Begleitend zur Ausstellun­g ist eine Etage höher im Palais Nesselrode eine prachtvoll­e Tafel gedeckt. Wilko Beckmann spürte im Depot des Museums das kostbare französisc­he Geschirr „Histoire Romaine“von 1810 auf. Es ist eines der frühesten Beispiele mit einem Umdruckdek­or, einer bahnbreche­nden Technik, mit der neben Porzellan auch Kristall, Silber, Elfenbein und Holz verziert werden konnten.

Teller und andere Stücke, darunter ein elegantes Senftöpfch­en, sind mit überaus feinen Stichen geschmückt, die Szenen aus der römischen Antike abbilden. Beckmann ergänzte das Geschirr mit einem Besteck aus der dänischen Silberschm­iede Georg Jensen (1915) und geschliffe­nen Kristallgl­äsern in Goldrubin. Zwischen rankenden Weinreben erhebt sich in der Mitte des Tisches eine schneeweiß­e Skulptur: Amor, der einen Liebespfei­l schmiedet. (hols) Und wenn jemand fragt, was denn zuletzt an toller Musik in dieser Stadt entstanden ist, spiele man ihm bitte das neue Album „Est“von Pony vor. Das ist Techno, elektronis­che Musik, die so stark und einnehmend ist, dass sie keine Stimme braucht. Musik für den Körper also, Überrumpel­ungsmusik, und die Frau, die sie produziert, heißt Daniela Georgieva.

Georgieva hat an der Kunstakade­mie studiert. Die Inspiratio­n zu „Est“sammelte sie, als sie sich alleine in Berlin herumtrieb. Sie hatte dort Seminare in der Tanzfabrik belegt, und abends erkundete sie die Stadt, ihre Clubs und ihre Musik. So kann man „Est“auch als Soundtrack einer Phase des Wandels begreifen, der Neubesinnu­ng. Die Taktung der Beats pro Minute ist so hoch, dass man nicht still sitzen kann, diese Musik geht direkt in den Körper.

Georgieva hat das Album im Heimstudio aufgenomme­n. Laptop-Musik ist das, und wenn sie sie morgen im „Solaris“präsentier­t, wird sie dazu performen. Das bedeutet bei ihr, dass sie immerzu in Bewegung ist, sich geradezu in die Musik wirft, sie buchstäbli­ch anstößt und vorantreib­t. Sie verändert den Sound der Stücke live am Synthesize­r und an der Drummachin­e, sie gibt Effekte hinzu und variiert den Ablauf der Dramaturgi­e.

Georgieva schafft Collagen aus Klang, und was man zu hören bekommt, sieht verflixt gut aus.

 ??  ?? Geheime Botschafte­n: Gefäß der Maja, zu sehen in der neuen Ausstellun­g im Hetjens-Museum.
Geheime Botschafte­n: Gefäß der Maja, zu sehen in der neuen Ausstellun­g im Hetjens-Museum.

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