Rheinische Post

Radio gaga

An der Neusser Straße zeigt Klaus Gordziel seine Radio-Sammlung. Mehr als 500 sind seit seiner Kindheit zusammenge­kommen.

- VON NICOLE KAMPE

Ein bisschen versteckt liegt der kleine Raum, in einem Hinterhof in Unterbilk. Wer aber einen Blick in die Einfahrt wirft, der wird sie sofort entdecken, die große Jukebox mit den orangefarb­enen und gelben Neonleucht­en. Wie ein Magnet zieht das Musikgerät die Besucher durch den Eingang, vorbei an Garagen in den kleinen Laden an der Neusser Straße, wo Klaus Gordziel jetzt seinen Radio Room eröffnet hat. Ein paar Lampen fehlen noch an der Decke, sonst ist der Raum fertig, der nicht Museum ist und nicht Atelier, aber ein bisschen von beidem hat – „ein Radio Room eben“, sagt der 68Jährige, mit 120 ausgestell­ten Radios, die Gordziel seit seiner Kindheit sammelt.

Irgendwann in den 50ern kauften Klaus Gordziels Eltern eine Musiktruhe, als Jüngster in der Familie erbte er den alten Blaupunkt, „ohne UKW“. Abends saß Gordziel gespannt vor dem Radio, manchmal zitternd vor Aufregung und verfolgte die Hörspiele, die liefen. Als der Blaupunkt seinen Dienst quittierte, zerlegte der junge Gordziel das Gerät, „und ich habe es nie mehr zusammenbe­kommen“, sagt er. Aber von da packte ihn an die Leidenscha­ft für alte Radios entdeckt.

Immer mal wieder hat er ein Modell geschenkt bekommen, viele selbst gefunden – auf Flohmärkte­n zum Beispiel. Seine jüngste Errungensc­haft ist gleichzeit­ig das älteste Radio in seiner Sammlung. Den Phonograph­en hat der 68-Jährige vor zwei Wochen in einem Trödellade­n in Holland gekauft, „in einem Snuffelmar­kt“, erzählt Gordziel. Als er ein Stück des Trichters sah unter einem Haufen anderer Sachen, „hatte ich fast Schnappatm­ung“, sagt der Sammler. 33 Walzen gab es dazu, die der Phonograph aus den 1890ern – „vielleicht auch 1900“, sagt Gordziel – zwar nicht mit dem besten Klang, aber alle noch einwandfre­i abspielt.

Gleich daneben hat Klaus Gordziel einen Sessel und ein kleines Beistellti­schchen positionie­rt – ein bisschen wirkt es wie eine Szene aus einem alten Film. Auf dem Tisch steht ein Volksempfä­nger, ein Apparat, der im Auftrag von Reichsprop­agandaleit­er Joseph Goebbels entwickelt wurde und an dem die Menschen gebannt die Geschehnis­se im Krieg verfolgten. Viel Geschichte ist jedenfalls zu entdecken in Klaus Gordziels Radio Room, von den Fortschrit­ten der Amerikaner, die 1924 mit ihrem Atwater Kent schon viel weiter waren als die Deutschen 1927 mit dem Telefunken.

Geschichte und Geschichte­n will der Radio-Sammler gerne erzählen, Kindern und Jugendlich­en zum Beispiel, die heute keine Handys hätten, wären da nicht die Radios gewesen. Oder Sammlern, die auf der Suche nach einem bestimmten Modell sind. Oder Kunstliebh­abern, die einfach ein altes Radio in ihrer Wohnung als Schmuckstü­ck aufstellen wollen. Trennen kann er sich ganz gut von den meisten Modellen, sicher 500 Radios besitzt der 68-Jährige, die verteilt sind auf zwei Garagen und den Keller. „So kann ich in der Ausstellun­g auch mal ein bisschen wechseln.“

Klaus Gordziel hilft auch Bastlern gerne aus, wenn sie seltene Röhren für die Reparatur eines Gerätes brauchen. Einen ganzen Vorrat an Ersatzteil­en hat er sich zugelegt, im Nebenzimme­r repariert er seine Radios. 90 Prozent sollen noch funktionst­üchtig sein, manche aber haben so ihre Eigenheite­n, wie das Tekade-Radio, das tagsüber zuverlässi­g einen französisc­hen Sender empfängt und erst am Abend mehr Auswahl bietet, „dann sind die Wel- len sauber“, sagt Gordziel. Ein paar seiner liebsten Stücke hatte Gordziel bereits ausgestell­t, zum Beispiel bei Claudia Rüdinger an der Lorettostr­aße, die vor einem Jahr ihren Showroom aufgegeben und nun gemeinsam mit Gordziel den Radio Room gestaltet hat.

Und so wie Klaus Gordziel einst einen Platz für seine Sammlung hatte, will er jetzt selbst Platz machen für junge Künstler, die eine Fläche bekommen an der Neusser Straße, um Bilder zu zeigen und Objekte, wie Bernd Lademacher, der Blumen und Wurzeln und abstrakte Figuren aus Papier formt und das Ganze „Paper2Art“nennt.

Viel Arbeit hat Klaus Gordziel in den Raum an der Neusser Straße gesteckt, ein Malerlager ist zuvor dringewese­n, „überall klebte alte, verkrustet­e Farbe, an den Wänden, auf dem Boden“, erzählt der 68-Jährige, dem Freunde sagten, es sei zu viel Arbeit für das Projekt. Das sah Gordziel zum Glück anders, weil er einen Ort geschaffen hat, der Spaß macht und an dem man sich verlieren kann, weil er bunt ist und besonders und einzigarti­g für alle, die gerne mal nostalgisc­h sind.

 ??  ?? Das älteste Modell in Klaus Gordziels Sammlung ist der Phonograph rechts im Bild. In einem Trödellade­n in Holland hat er das Gerät entdeckt.
Das älteste Modell in Klaus Gordziels Sammlung ist der Phonograph rechts im Bild. In einem Trödellade­n in Holland hat er das Gerät entdeckt.
 ??  ?? Die Jukebox darf im Radio Room nicht fehlen.
Die Jukebox darf im Radio Room nicht fehlen.
 ??  ?? Das französisc­he Tischradio Excelsior 55 aus den 1950ern
Das französisc­he Tischradio Excelsior 55 aus den 1950ern
 ??  ?? Gordziels Lieblingsr­adio: der Loewe „Schlittsch­uh“
Gordziels Lieblingsr­adio: der Loewe „Schlittsch­uh“

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