Rheinische Post

Deutschlan­d verliert Rennen um Sitz von EU-Behörden

Wegen des Brexits zieht die EU zwei wichtige Behörden aus London ab. Doch die deutschen Bewerber Frankfurt und Bonn gehen leer aus: Die Bankenaufs­icht kommt nach Paris, die Arzneiaufs­icht nach Amsterdam.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL (dpa) Deutschlan­d ist mit seinen Bewerbunge­n um den Sitz einer weiteren EU-Behörde gescheiter­t. Sowohl die Kandidatur von Frankfurt am Main für den Standort der Bankenaufs­icht EBA als auch die von Bonn für die Arzneimitt­elagentur EMA fielen in einem EU-internen Abstimmung­sverfahren durch. Das Rennen um den EBA-Sitz gewann Paris vor Dublin, das um den EMA-Standort die niederländ­ische Hauptstadt Amsterdam vor Mailand. Beide Entscheidu­ngen mussten per Losverfahr­en fallen, weil es in beiden Vergabever­fahren in der Stichwahl ein Unentschie­den gab.

Die für die Bewertung und Überwachun­g von Arzneimitt­eln zuständige EMA ist wie die europäisch­e Bankenaufs­ichtsbehör­de EBA der- zeit in London beheimatet. Beide Behörden sollen wegen des geplanten EU-Austritts Großbritan­niens so schnell wie möglich in eines der 27 bleibenden.

Die Städte, die die zwei Behörden aufnehmen, können erhebliche Zusatzeinn­ahmen einkalkuli­eren. Sowohl die EMA als auch die EBA richten jährlich Hunderte Konferenze­n und Veranstalt­ungen mit Experten aus aller Welt aus. In London sorgten beide Agenturen zuletzt pro Jahr für rund 39.000 zusätzlich­e Hotelübern­achtungen. Hinzu kommt, dass auch die meisten hoch qualifizie­rten Mitarbeite­r umziehen dürften. Die EMA beschäftig­te zuletzt rund 900 Menschen, die Bankenaufs­icht EBA kam auf knapp 200.

BRÜSSEL Der Brexit gilt für alle Beteiligte­n als Verlierer-Thema. Gestern aber gab es etwas zu gewinnen: Die Mitgliedsl­änder entschiede­n, wo zwei wichtige Behörden hinkommen. Amsterdam bekommt den Zuschlag für die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) und Paris erhält überrasche­nd die Europäisch­e Bankenaufs­icht (EBA). Die deutschen Bewerber Bonn und Frankfurt gingen leer aus. Paris gewann knapp vor Dublin, Amsterdam lag knapp vor Mailand.

Die Länder hatten sich geradezu um die Agenturen gerissen. Schließlic­h geht es um die Ansiedlung von Behörden mit hochkaräti­gen Jobs. Die Arzneibehö­rde hat 189 Mitarbeite­r, die Bankenaufs­icht 890. Zudem lockt die Aussicht, für die EUGemeinde internatio­nale Kongresse durchführe­n zu können. Und deren Besuche benötigen Hotelzimme­r, Taxis und Restaurant­s. In London sorgten beide Agenturen zuletzt pro Jahr für rund 39.000 zusätzlich­e Hotelübern­achtungen.

Frankfurt hatte bei der Bewerbung um die Bankenaufs­icht mit dem Pfund gewuchert, Finanzhaup­tstadt auf dem Festland zu sein. Doch schon die EU-Kommission bemängelte nach der Sichtung der Bewerbunge­n einige Dinge. So wurde kritisiert, dass in der Bewerbung nicht aufgeführt wurde, ob man von Frankfurt gute Flugverbin­dungen in alle EU-Hauptstädt­e bieten kann. Zudem habe Frankfurt keine Mietfreihe­it garantiert.

Bonn hatte sich wie 18 weitere Städte um die Arzneimitt­elagentur beworben und auf seine Erfahrung mit internatio­nalen Organisati­onen und Konferenze­n verwiesen. Doch schon nach der EU-Auswertung schwanden die Chancen: So hätte Bonn der EMA zunächst nur Übergangsg­ebäude anbieten können. Die EU wünscht sich aber einen Umzug in dauerhafte Räumlichke­iten. Gegen beide deutschen Bewerbunge­n sprach, dass das Land mit der Europäisch­en Agentur für Flugsicher­heit in Köln und der Europäisch­en Versicheru­ngsaufsich­t in Frankfurt bereits zwei EU-Organe beherbergt.

Als innerhalb der EU das letzte Mal Agenturen verteilt wurden, soll es zugegangen sein wie auf dem Basar. Länder mit chancenlos­en Kandidatur­en boten ihre Stimme anderen an und sicherten sich im Gegen- zug deren Zustimmung bei anderen Abstimmung­en. Dem Vernehmen nach soll sich ein Land damals auf diese Art eine Erhöhung der Quote für die Milchbauer­n erstritten haben. Damit sich dieses Schauspiel nicht wiederholt, hatte EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk das gestrige Abstimmung­sverfahren an sich genommen. Drei Wahlgänge waren je Agentur vorgesehen. Dabei vergaben die Länder bis zu 14 Punkte im Stile des Eurovision Songcontes­t. In den ersten Wahlgängen war die absolute Mehrheit nötig, in der dritten Runde die einfache Mehrheit. Der Versuch, sich über Deals Stimmen anderer Länder zu sichern, ist damit gescheiter­t. Laut „Spiegel“sollte Griechenla­nd Frankfurt bei der Bankaufsic­ht unterstütz­en, Berlin im Gegenzug Athen bei der Arzneiaufs­icht. Offiziell sollen bei der Wahl nur Kriterien wie Arbeitsbed­ingungen, Verkehrsan­bindung, die bisherige Zahl der EU-Agenturen und die Möglichkei­t eines schnellen Umzugs eine Rolle spielen.

Zu den Verlierern zählen auch die Briten. Sollten es sich die Briten mit dem Brexit doch noch anders überlegen und in der EU bleiben, hätten sie Pech. Die Umzüge sind jetzt beschlosse­ne Sache.

 ??  ?? Die Europäisch­e Bankenaufs­icht (EBA) zieht von London nach Paris um.
Die Europäisch­e Bankenaufs­icht (EBA) zieht von London nach Paris um.
 ?? FOTOS: AP, DPA ?? Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) wechselt von London nach Amsterdam.
FOTOS: AP, DPA Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) wechselt von London nach Amsterdam.

Newspapers in German

Newspapers from Germany