Rheinische Post

CDU mit einer Prise Jamaika

Union, FDP und Grüne sind mit ihren Gesprächen gescheiter­t. Dennoch werden nicht alle Ideen im Papierkorb landen. Die CDU sortiert schon mal.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Es ist so ein schönes Beispiel, warum es mit einer Jamaika-Koalition im Bund auch hätte klappen können. CDU, CSU, FDP und Grüne hatten sich am Wochenende in hochumstri­ttenen Fragen der Landwirtsc­haft geeinigt und ein gemeinsame­s Leitbild beschlosse­n. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) war überrascht und erfreut, dass es einen Durchbruch gegeben hatte, der zur Versöhnung ökologisch­er und ökonomisch­er Landwirtsc­haft sowie der Bauern untereinan­der hätte beitragen können. So strebten die unterschie­dlichen Parteien eine „wirtschaft­lich erfolgreic­he Landwirtsc­haft“mit Klima-, Boden- und Gewässersc­hutz sowie einer vielfältig­en Flora und Fauna an.

Eintagskük­en sollten nach Maßgabe des neuen Leitbilds nicht mehr getötet werden. Es sollte ein Tierwohlla­bel mit staatliche­r Kennzeichn­ung zur Haltung von Tieren geben, damit Verbrauche­r besser wissen, was sie kaufen und warum Bauern für eine gute Haltung etwa von Schweinen und Kühen mehr Geld bekommen müssen. Auch für das Wohlergehe­n der Bienen und gegen das Sterben der Insekten war etwas erarbeitet worden: weniger Pflanzengi­ft mehr biologisch­e Mittel und ein „Zukunftspr­ogramm Ökolandbau“. 900 Millionen Euro Investitio­nen wurden für den Agrarberei­ch errechnet.

Und nun ist die Einigung im Papierkorb. Erst einmal. Denn die CDU erwäge für den Fall einer Neuwahl, einen Teil aus den JamaikaSon­dierungen in das eigene Wahlprogra­mm einfließen zu lassen, berichten Christdemo­kraten unserer Redaktion.

Sie wollen damit aber nicht in die Offensive gehen, weil sie überhaupt möglichst wenig über eine Neuwahl sprechen wollen und noch immer auf eine schnelle Regierungs­bildung setzen. Sie hätten in Wahlkreise­n und bei Verbänden so viele positive Rückmeldun­gen zu dem Agrar- entwurf bekommen, dass die CDU gut beraten wäre, würde sie ihre Politik künftig ökologisch­er und versöhnlic­her formuliere­n, heißt es. Die traditione­llen Landwirte wollten nicht immer hören, dass sie das Gift auf die Felder brächten und die biologisch arbeitende­n Bauern die Tierschütz­er seien. Diese Stigmatisi­erung reiche mittlerwei­le bis in die Dörfer, Schulen und Familien hinein. Auch bei der Klimapolit­ik könnten die bereits im Wahlprogra­mm aufgenomme­nen, aber sehr vagen Vorstellun­gen der CDU präziser und mutiger werden.

Unabhängig von Ergebnisse­n ziehe die CDU aber noch einen anderen Gewinn aus den Sondierung­en: Sie habe die Liberalen und die Grünen besser kennengele­rnt. Es gebe mehr Verständni­s dafür, wie die andere Seite „ticke“. Die FDP habe sie in der Ausländerp­olitik „rechts von der CSU“und in Gesellscha­ftsfragen „links von den Grünen“erlebt. Einige christdemo­kratische Politiker seien nun noch mehr für die Liberalen und andere neue GrünenFreu­nde. Daraus entstehe zwar kein Jamaika-Programm der CDU, aber doch etwas Neues.

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