Rheinische Post

Wirtschaft soll Ladesäulen bezahlen

Nach den Vorstellun­gen des Europaparl­aments sollen die Säulen ab 2025 an allen Nicht-Wohngebäud­en verpflicht­end sein. Laut Expertensc­hätzungen würde das deutsche Firmen 7,5 Milliarden Euro kosten. Die Industrie reagiert empört.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Besitzer von nicht bewohnten Immobilie sollen sich künftig kräftig für die Energiewen­de im Verkehrsbe­reich ins Zeug legen. Ab dem Jahr 2025 sollen sie verpflicht­et werden, mindestens eine Ladesäule für E-Mobile zu schaffen, wenn auf dem Parkplatz des Gebäudes mehr als zehn Stellplätz­e vorhanden sind. Diese Forderung will das Europaparl­ament in den Verhandlun­gen über die Richtlinie zur Energieeff­izienz von Gebäuden durchsetze­n. Die Gespräche stehen in Brüssel Anfang Dezember zwischen Parlament, Mitgliedst­aaten und Kommission an.

Wenn sich das Parlament durchsetzt, würde dies bedeuten: Alle kommerziel­len Nicht-Wohngebäud­e im Bestand, also Supermärkt­e, Einzelhänd­ler, Hotels, Bürogebäud­e und Industrieu­nternehmen, die mehr als zehn Stellplätz­e haben, müssten auf eigene Kosten Ladesäulen errichten. Schätzunge­n gehen davon aus, dass die Ladesäulen­pflicht den deutschen Unternehme­n Mehrkosten von ungefähr 7,5 Milliarden Euro aufbürden würde. Diese Rechnung unterstell­t, dass jedes dritte der drei Millionen Nicht-Wohngebäud­e in Deutschlan­d umgerüstet werden müsste. Laut Nationaler Plattform Elektromob­ilität belaufen sich die Kosten für eine Normallade­säule einschließ­lich Netzanschl­uss auf rund 7500 Euro.

Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) ist alarmiert. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte unserer Zeitung: „Auch wenn die genauen Kosten nur schwer zu schätzen sind, rechnen wir bei den Pflicht-Ladesäulen mit Mehrkosten für die Wirtschaft von mehreren Milliarden Euro.“Schweitzer sieht nicht ein, warum die Unternehme­n die Kosten für die Energiewen­de im Verkehrsbe­reich schultern sollen: „Es ist nicht sinnvoll, dass Investitio­nen in eine spezifisch­e Technologi­e von der gesamten Wirtschaft bezahlt werden sollen, statt von denjenigen, die den Vorteil davon haben.“Eine pau- schale Pflicht führe zum Aufbau einer Infrastruk­tur, die dann zumindest teilweise ungenutzt bliebe, warnt der Präsident des Spitzenver­bandes. Der CDU/CSU-Mittelstan­dspolitike­r im EU-Parlament, Markus Pieper, fordert, dass sich Brüssel heraushält: „Ich weiß nicht, warum europäisch­e Politik sich um Details für Vorverkabe­lungen, Leerrohre und die Dichte von Ladesäulen kümmern muss. Wieso regeln die Mitgliedss­taaten und die Wirtschaft das nicht in Eigenregie?“Pieper appelliert an die Regierunge­n, die Pläne bei den anstehende­n Verhandlun­gen zu beerdigen.

Ein Schlupfloc­h gibt es womöglich noch: Die Kommission will es den Mitgliedst­aaten überlassen, ob sie kleine und mittelgroß­e Unternehme­n sowie Behörden von der Pflicht befreit.

Während im Bereich des Gebäudebes­tands noch um die Ladesäulen­pflicht gerungen wird, ist bereits absehbar, was beim Neubau und bei umfassende­n Renovierun­gen von nicht zu Wohnzwecke­n genutzten Immobilien passiert. Eigentümer sollen nicht nur verpflicht­et werden, ab zehn Stellplätz­en eine Elektrolad­esäule zu schaffen, sondern auch die Vorrichtun­gen für weitere Ladesäulen. Leerrohre oder eine Vorverkabe­lung für jeden dritten bis zehnten Parkplatz könnten bereits ab dem übernächst­en Jahr Pflicht werden.

Ursprüngli­ch wollte die Kommission bei neuen Gebäuden und umfassende­n Renovierun­gen von Nicht-Wohngebäud­en noch einen Schritt weiter gehen. Sie hatte vorgeschla­gen, dass in diesem Bereich eine Ladesäule je zehn Stellplätz­e errichtet werden müsse. Dies hätte bedeutet, dass bei einem neuen Supermarkt auf der grünen Wiese mit tausend Parkplätze­n 100 Ladesäulen fällig geworden wären.

Vor allem in den osteuropäi­schen Mitgliedsl­ändern der EU formierte sich aber im Rat, dem Gremium der Mitgliedst­aaten, massiver Widerstand. Der federführe­nde Energiekom­missar Miguel Arias Canete hoffte zunächst darauf, dass ihn das Parlament in den Verhandlun­gen mit dem Rat unterstütz­en würde. Canete appelliert­e an das Parlament: „Der Rat bleibt mit seiner Position weit hinter unseren Zielen bei den Ladesäulen zurück. Wenn es nach ihm geht, wird es 95 Prozent weniger Ladesäulen geben. Daher ist umso wichtiger, dass das Parlament hier standhaft ist.“

Die Kommission wirbt für ehrgeizige Vorschrift­en zum Ausbau der Ladesäulen-Infrastruk­tur: „Heute stecken wir in dem Huhnund Ei-Dilemma.“Zum einen werde der Absatz von Elektromob­ilen durch den Mangel an Ladestatio­nen gehemmt. Zum anderen werde zu wenig Geld in Ladestatio­nen investiert mit dem Hinweis, dass es gar nicht so viele E-Autos gebe. Die Energieeff­izienzrich­tlinie für Gebäude sei das einzige Instrument, um für mehr Ladestatio­nen in privaten Gebäuden zu sorgen. Es sei wichtig, hier zu Fortschrit­ten zu kommen.

Rund 90 Prozent der Ladetätigk­eit von Elektromob­ilen finde heute im privaten Bereich statt. Energiekom­missar Canete macht Druck: „Wir brauchen dringend Action an beiden Fronten: bei öffentlich­en und bei privaten Gebäuden.“Etliche Mitgliedst­aaten wie Österreich, Frankreich, Italien und Spanien seien hier bereits vorangegan­gen und hätten Vorschrift­en erlassen.

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