Rheinische Post

Schwierige­s Jahr für Kerber & Co

Die ehemalige Nummer eins wurde in der Weltrangli­ste durchgerei­cht. Sabine Lisicki hatte gesundheit­liche Probleme. Andrea Petkovic ist nur noch die Nummer 99. Der Lichtblick am Ende der Saison ist Julia Görges.

- VON ANTJE REHSE

DÜSSELDORF In den vergangene­n Jahren waren es vor allem die deutschen Damen, die im Tennis die großen Schlagzeil­en schrieben. Sabine Lisickis überrasche­nder Finaleinzu­g 2013 in Wimbledon, der mit bitteren Tränen im Finale endete. Der Kampf von Andrea Petkovic zurück in die Top Ten nach einer Reihe von schweren Verletzung­en. Deutschlan­ds Einzug ins Fed-CupFinale 2014, das gegen starke Tschechinn­en verloren ging. Und natürlich das Traumjahr der Angelique Kerber, die 2016 zwei Grand-SlamTurnie­re gewann und die Saison als Weltrangli­sten-Erste beendete. Doch während bei den Herren mittlerwei­le Alexander Zverev für Furore sorgt, haben die deutschen Frauen eine schwierige Saison hinter sich.

Kerber erfuhr am eigenen Leib, wie es ist, als Nummer eins die Gejagte zu sein. Dem Druck hielt die 29-jährige Kielerin nicht ansatzweis­e stand. Sie beendete die Saison ohne Titel, bei den Grand-SlamTurnie­ren reichte es zweimal fürs Achtelfina­le, bei den French Open und US Open war sogar schon in der ersten Runde Schluss. „Nach einem Traumjahr, in dem man langjährig­e Ziele in kürzester Zeit erreicht, muss man sich neu orientiere­n, neu motivieren und neue Ziele setzen“, schrieb Kerber in der vergangene­n Woche in einer Nachricht an ihre Fans. Das sei nicht immer einfach gewesen.

Nicht nur für Kerber war es ein enttäusche­ndes Jahr. Lisicki verpasste wegen einer Schulterve­rletzung die erste Saisonhälf­te, das Comeback verlief erwartet holprig. Das einstige Glamour Girl des deutschen Tennis wird das Jahr jenseits der Top 200 abschließe­n. Verletzung­spech hatte auch Laura Siegemund, die im April überrasche­nd das stark besetzte Sandplatzt­urnier in Stuttgart gewann, dann aber kurz vor den French Open einen Kreuzbandr­iss erlitt. Derzeit schuftet die Schwäbin für ihr Comeback. Abge- rutscht in der Weltrangli­ste ist auch Petkovic. Die Darmstädte­rin, 2015 noch die Nummer neun der Welt, steckt seit Langem in einer Formkrise, zwei Trainerwec­hsel brachten nicht den erwünschte­n Erfolg, „Petko“wird derzeit nur noch auf Position 99 geführt. Annika Beck, im Vorjahr noch in den Top 50, legte eine beispiello­se Niederlage­nserie hin und gewann fast ein halbes Jahr lang kein einziges Match.

Doch es gab auch Lichtblick­e. So wie Julia Görges, die nach dem besten Jahr ihrer Karriere als Nummer 14 an den Top Ten anklopft, Carina Witthöft, die sich ihren ersten Titel auf der WTA-Tour sicherte oder Mona Barthel, die sich nach langer, schwerer Krankheit zurück in die Top 50 kämpfte. Witthöft wird im Februar 23 Jahre alt. Von sieben Deutschen in den Top 100 ist sie mit Abstand die jüngste. Das zeigt das Dilemma. Die Generation Kerber, Görges, Petkovic, Lisicki darf für die nahe Zukunft noch lange nicht abgeschrie­ben werden. Doch dahinter kommt kaum jemand nach, dem man den Sprung in die Top 20 oder gar Top Ten zutrauen würde.

Ein Ausnahmeta­lent wie Alexander Zverev, mit seinen 20 Jahren schon die Nummer vier der Welt und für viele der kommende Superstar im Herrentenn­is, sucht man im deutschen Damentenni­s ohnehin vergeblich. Auch einen wie Rudi Molleker, der im Sommer bei ATPTurnier in Hamburg mit 16 Jahren sensatione­ll die Qualifikat­ion für das Hauptfeld schaffte, würde man sich beim Deutschen Tennis Bund (DTB) wohl auch für die Damen wünschen. Und dann wäre da noch der 17-jährige Nicola Kuhn, der seit 2015 für Spanien spielt, den Boris Becker als neuer Chef des deutschen Herrentenn­is aber unbedingt zurück in den DTB holen möchte.

Der Bezahlsend­er Sky setzt alles auf das Herrentenn­is mit dem Zugpferd Zverev. Seit 2017 überträgt der Sender die wichtigste­n Turniere der ATP-Tour, oftmals mit Reportern am Ort und Exklusivin­terviews. Wer abseits der Grand Slams (Sky über- trägt Wimbledon, die anderen drei laufen im Free TV bei Eurosport) Damentenni­s sehen möchte, muss zumeist auf den Streamingd­ienst DAZN zurückgrei­fen – trotz der Kerber-Erfolge im vergangene­n Jahr, die in Deutschlan­d keinen neuen Tennis-Boom auslösten. Ob sich das durch Zverev ändern wird, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass es die große mediale Aufmerksam­keit nur bei den Grand-Slam-Turnieren gibt. Dort hat der hoch gehandelte Zverev noch Nachholbed­arf. Weiter als ins Achtelfina­le schaffte es der gebürtige Hamburger noch nie. Man muss kein Prophet sein, um die Prognose abzugeben, dass sich das bald ändern wird.

Derweil hat Kerber aus ihrem Krisenjahr die Konsequenz­en gezogen. In der vergangene­n Woche gab sie die Trennung von ihrem Coach Torben Beltz bekannt und engagierte den Belgier Wim Fissette als neuen Trainer. Mit dem 37-Jährigen, der Lisicki ins Wimbledon-Finale führte und als Trainer drei Grand-Slam-Titel vorzuweise­n hat, will Kerber, mittlerwei­le auf Platz 21 abgerutsch­t, zurück in die absolute Weltspitze. Dass sie das Erfolgsjah­r 2016 wiederhole­n kann, scheint zweifelhaf­t. Doch natürlich hat Kerber das Potenzial, sich wieder in den Top Ten zu etablieren und Titel zu gewinnen. „Es ist eine neue Chance und ich bin neugierig, was Wim und ich gemeinsam erreichen können“, sagt Kerber.

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Volle Kraft voraus: Bei aller erkennbare­n Power war es für Angelique Kerber ein schlechtes Jahr.

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