Diesel-Fahrverbot kaum zu verhindern
Die Bundeskanzlerin lädt heute zum zweiten Diesel-Gipfel. Laut Eckpunktepapier steht eine Milliarde Euro zur Verfügung, um die Schadstoffbelastung zu senken. Doch das allein dürfte kaum reichen.
Ein Diesel-Fahrverbot für die Düsseldorfer Innenstadt und andere Städte Nordrhein-Westfalens scheint unvermeidlich. „Wir kommen wahrscheinlich nicht um Verbote bestimmter Fahrzeuge zu bestimmten Zeiten herum“, sagte Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher (CDU). Selbst mit einem Diesel-Fahrverbot werde es schwer werden, die Grenzwerte in Düsseldorf einzuhalten. Dies werde besonders bei jenen Handwerkern zu Härten führen, die ihren Fuhrpark für die vor einiger Zeit eingerichtete Umweltzone modernisiert haben. Auch das Ruhrgebiet und weitere Städte wie Wuppertal könnten betroffen sein. An 60 von 127 Messstellen in NRW werden laut Bezirksregierung die nach EU-Recht zulässigen Jahresmittelwerte des Reizgases Stickstoffdioxid derzeit nicht eingehalten. Größter Produzent des Schadstoffs ist der Autoverkehr, wobei Diesel-Antriebe rund 80 Prozent beisteuern.
Kritik an Fahrverboten kommt von Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel. „Ein Diesel-Verbot wäre für die betroffenen Autobesitzer eine Enteignung. Da müsste sehr genau abgewogen werden, ob ein solch massiver Eingriff verhältnismäßig ist“, so der SPD-Politiker. Auch die Düsseldorfer Industrieund Handelskammer (IHK) hat Bedenken. IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen sprach von einer „empfindlichen Mobilitätseinbuße und einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden“.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lädt heute zum zweiten Diesel-Gipfel ins Kanzleramt ein. Rund 30 Vertreter von Städten und Gemeinden werden zu Gast sein. Ziel ist es, Diesel-Fahrverbote unbedingt zu vermeiden. Bereits im September hatte der Bund einen Fonds in Aussicht gestellt. Ob es heute zu einer Einigung kommt, ist offen. Einzelne Landesminister dämpften ihre Erwartungen an den Diesel-Gipfel.
Der Entwurf für ein Eckpunktepapier ist bereits vorformuliert. In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es einleitend: „Pauschale Fahrverbote müssen vermieden werden.“Gemeinsames Ziel sei es, die Grenzwerte möglichst schnell zu erreichen. Das Programm mit dem Titel „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“sieht laut Entwurf vor, leichte Nutzfahrzeuge, Taxis, Mietwagen, Busse und Carsharing-Autos auf Elektroantrieb umzustellen, Diesel-Busse mit Filtern nachzurüsten und Verkehrssysteme wie Parkleit- und Fahrgastinfosysteme zu verbessern. Zudem soll es mehr Ladesäulen für Elektrofahrzeuge geben.
Dazu sollen Mittel von einer Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden. 750 Millionen Euro steuere der Bund bei. Das Programm richte sich an alle Kommunen, in denen die Grenzwerte überschritten sind.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte unserer Redaktion, der Dieselgipfel dürfe „keine weitere Showveranstaltung“werden. Hofreiter mahnte konkrete Maßnahmen an. „Dazu zählt das Bereitstellen von Geldern für die betroffenen Kommunen, wirksame und von der Autoindustrie finanzierte Nachrüstungen für manipulierte Autos sowie die Einführung der blauen Plakette“, sagte der Grünen-Fraktionschef.
Der oberste Verbraucherschützer Deutschlands, Klaus Müller, forderte: „Politik und Hersteller müssen endlich einen Gang höher schalten, wenn es darum geht, Fahrverbote für Dieselautos zu vermeiden.“Dabei müssten die Hersteller ohne Wenn und Aber alle Kosten und Garantien tragen. Nicht die Verbraucher sollten die Zeche des Dieselskandals zahlen, sondern die Verursacher.
Fahrverbote sind das schärfste Schwert in der Umweltpolitik. Wer sie verhängt, muss gute Gründe haben. Es reicht nicht aus, auf mögliche langfristige Gefahren für die Gesundheit hinzuweisen. Denn danach müssten auch der Einsatz von Plastiktüten, der Tabakkonsum oder ältere Heizungsanlagen verboten werden, die alle nicht gerade förderlich für die Umwelt sind.
Die Politik kommt nicht darum herum, Gefahren einer erhöhten Schadstoffkonzentration mit dem Verlust an Mobilität für Pendler, Handwerker, Taxifahrer oder Lieferanten abzuwägen. Dabei gilt zunächst, dass die EU-Werte an vielen Messstationen nicht eingehalten werden. Allerdings ist nicht der Stickstoffwert an sich gefährlich (Gasherde sind schädlicher), sondern die gesamte Schadstoffkonzentration, die sich am Stickstoffwert misst.
Die Überschreitung der EU-Grenzwerte muss deshalb die Politik auf den Plan rufen. Da reicht es nicht wie jetzt beim Dieselgipfel, dass vor allem der Steuerzahler für die Umrüstung aufkommt. Der Verursacher sollte herangezogen werden – etwa durch eine höhere Kfz- oder Emissionssteuer. Dafür fehlt aber der politische Mut. Und so müssen am Ende wohl alle Dieselfahrer zahlen, egal wie viel ihre Wagen ausstoßen.