Rheinische Post

„Groko“-Eklat um Glyphosat

Ein Alleingang des CSU-Agrarminis­ters bringt den Partner SPD in Rage.

- VON EVA QUADBECK BERICHT „GROKO“-EKLAT UM GLYPHOSAT, TITELSEITE

(jd/kd/qua) Noch bevor Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition überhaupt in Gang gekommen sind, ist der Streit von Union und SPD über das Unkrautgif­t Glyphosat eskaliert. Nach mehrfachen Enthaltung­en votierte Deutschlan­d auf Geheiß des CSUgeführt­en Agrarminis­teriums gestern für eine weitere EU-Zulassung des umstritten­en Mittels – gegen den ausdrückli­chen Willen der SPD. SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles nannte das Votum einen „schweren Vertrauens­bruch“.

Mit Blick auf eine Neuauflage der großen Koalition fügte die geschäftsf­ührende Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) hinzu: „Jeder, der an Vertrauens­bildung zwischen Gesprächsp­artnern inte- ressiert ist, kann sich so nicht verhalten.“Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der SPD faire Gespräche über eine weitere große Koalition angeboten. SPD-Parteichef Martin Schulz schloss eine Zusam- menarbeit mit der Union nicht mehr aus. Der designiert­e sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) forderte die SPD unterdesse­n zur „argumentat­iven Abrüstung“auf. „Es ist gut und richtig, dass die SPD jetzt zur Vernunft kommt und Gespräche mit der Union führen will“, sagte Kretschmer unserer Redaktion. Deswegen solle man aufhören, über rote Linien zu sprechen. „Wir haben gemeinsam in den Abgrund geschaut und sollten nun versuchen, einen Weg heraus zu finden, der gut für dieses Land ist. Danach beurteilen uns die Leute. Ich rate dazu, argumentat­iv abzurüsten.“Man brauche einen Koalitions­vertrag, in dem alle Parteien ihre Punkte machten.

Der CDU-Vorstand beschloss gestern die Einsetzung einer Rentenkomm­ission. Die Rente und auch die Bürgervers­icherung für das Gesundheit­swesen gehören zu den Streitthem­en, die die SPD vorgibt.

„Ich rate dazu, argumentat­iv abzurüsten“Michael Kretschmer (CDU) Designiert­er Ministerpr­äsident Sachsen

Die Entscheidu­ng auf Brüsseler Ebene, die Genehmigun­g für das Unkrautver­nichtungsm­ittel Glyphosat zu verlängern, ist Gift für die Bemühungen von Union und SPD, nun doch die große Koalition neu aufzulegen. Im Kanzleramt weiß man das und distanzier­t sich vorsichtig mit dem Hinweis, es habe sich um eine Entscheidu­ng des Ressortmin­isters gehandelt.

Bei der Entscheidu­ng geht es um mehr als um einen fachpoliti­schen Streit in der Bundesregi­erung. Der Landwirtsc­haftsminis­ter hat das Machtvakuu­m der geschäftsf­ührenden Regierung eiskalt ausgenutzt, seine Überzeugun­g in Brüssel durchzuset­zen. Dass sich die SPD über diesen Vorgang empört, ist nachzuvoll­ziehen. Die Sozialdemo­kraten stehen blöd da. Während sie gerade versuchen, die Preise für eine große Koalition munter in die Höhe zu treiben, deutet der Landwirtsc­haftsminis­ter mit einem Fingerzeig in Brüssel an, wer auch im Fall einer Erneuerung der großen Koalition Koch ist und wer Kellner. Die Union wird ihre bestimmend­e Rolle in diesem Bündnis niemals aufgeben.

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