Rheinische Post

Flüchtling­srat kritisiert Stellenstr­eichung

Der Verein und die Diakonie befürchten, dass die Stadt Integratio­nschancen verpasst.

- VON JÖRG JANSSEN

Die Zahl der Zufluchtsu­chenden, die in städtische­n Unterkünft­en leben, geht zurück. Von fast 8000 im November 2016 auf aktuell knapp unter 6000. „Deshalb hat uns die Stadt signalisie­rt, die Zahl der Sozialarbe­iter in diesem Bereich von 45 auf demnächst 30 absenken zu wollen. Das halten wir für falsch“, sagen Diakonie-Chef Thorsten Nolting und Markus Rottmann, Vorstand des Flüchtling­srats Düsseldorf, der die Interessen ehrenamtli­cher Helfer koordinier­t. Die Beibehaltu­ng der 45 Stellen ermögliche es, den im Vergleich schlechten Düsseldorf­er Betreuungs­schlüssel von einem Sozialarbe­iter für 200 Flüchtling­e endlich zu verbessern. „Wenn Rathaus und Politik das anders entscheide­n, verpassen wir die Chance auf eine gelingende Integratio­n“, glaubt Nolting. So läge das Verhältnis in anderen NRW-Kommunen, aber auch in Bayern und Bremen bei 1:100 oder 1:120.

„Vorausgese­tzt, wir behalten die 45 Stellen und niemand der Sozialarbe­iter wäre krank oder in Urlaub, gäbe es pro Flüchtling und Monat eine Stunde und 15 Minuten Betreuungs­zeit“, rechnet Rottmann vor. Wer das weiter reduziere, lasse Menschen allein mit ihren Problemen. Wie notwendig Betreuung ist, macht Eileen Stiehler, die als Sozial- arbeiterin in der Unterkunft an der Roßstraße arbeitete, deutlich. Sie berichtet von einem Flüchtling, der seit zwei Jahren in Düsseldorf lebte, einen Ausbildung­splatz hatte und seine Miete selbst bezahlte. „Und doch hat er versucht, sich aus dem vierten Stock seiner Unterkunft zu stürzen, weil er sich einsam fühlte und das Gefühl hatte, in unserer Gesellscha­ft einfach nicht anzukommen“, berichtet Stiehler.

Die künftige Leiterin des neuen städtische­n Integratio­nsamtes Miriam Koch wandte sich gestern Abend gegen eine pauschale Absenkung des aktuellen Betreuungs­schlüssels von 1:200. „Die Zahl der Flüchtling­e, die nach Düsseldorf kommen, geht nun mal drastisch zurück. Darauf müssen wir als Verwaltung reagieren“, sagt sie auf Anfrage dieser Redaktion. Wichtiger sei es, mit Blick auf jene, die dauerhaft blieben, Aufgaben neu zu definieren und dabei die Bereiche Arbeit, Sprache und Wohnen in den Blick zu nehmen sowie die „Welcome Points“in den Stadtbezir­ken weiter auszubauen. Im Übrigen sei die Politik am Zuge. Das sehen Diakonie und Flüchtling­srat genauso. Sie appelliere­n an die Parteien im Rat, an der Integratio­n nicht zu sparen. „Die Kosten der Desintegra­tion würden höher sein als die 75.000 Euro, die eine Stelle alles in allem im Schnitt etwa kostet“, sagt Nolting.

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