Rheinische Post

„Jede Stadt braucht ihr Gesicht“

Das gründerzei­tliche Gebäude mit dem markanten Pferdekopf an der Brunnenstr­aße ist für viele Bilker ein außergewöh­nliches architekto­nisches Zeugnis der Geschichte im Stadtteil. Jetzt will ein Investor das Haus abreißen.

- VON NICOLE KAMPE

BILK Vor einem Jahr erst hat Markus Pawlowski sein Atelier im Hinterhof an der Brunnenstr­aße 27 bezogen. „Sowas wie hier findet man nur, wenn es total runtergeko­mmen ist“, sagt Pawlowski. Sicher 30.000 Euro musste er in die Renovierun­g seines Show-Rooms in der ersten Etage und in seine Werkstatt darüber investiere­n. Dass die Zeit dort bald enden könnte, hat den Künstler „schwer geschockt“, sagt er. Das Gründerzei­thaus mit dem markanten Pferdekopf samt Hinterhofb­ebauung in Bilk soll nämlich abgerissen werden, Studentenw­ohnungen sind geplant. Ob die aber wirklich kommen, bezweifelt nicht nur Pawlowski. „Nachher werden die Preise so sehr angehoben, dass sich Studenten die Miete nicht leisten können“, meint Ulrike Reble, die seit 40 Jahren in Bilk wohnt und gestern Abend zur Demo gekommen ist, die die Grünen-Politiker im Stadtbezir­k 3, Dietmar Wolf und Thorsten Graeßner, organisier­ten.

Reble fragt sich, warum nicht wenigstens die Fassade erhalten werden kann, so wie am Fürstenwal­l, wo die ehemalige WestLB einem Neubau weicht. „Immer mehr alte Häuser werden abgerissen für uniforme Bauten“, sagt Regine HilleWalte­r, die extra aus Unterrath gekommen ist, um sich das Haus mit dem Pferdekopf noch mal anzuschaue­n. Ihre Urgroßelte­rn und Großeltern lebten in Bilk, deshalb fühlt sie sich noch immer verbunden mit dem Stadtteil. „Jede Stadt braucht ihr Gesicht“, sagt Hille-Walter.

Einige Nachbarn und Bewohner wurden schließlic­h spontan ange- zogen, als sie das Pferdegetr­appel vor ihrer Tür hörten. Fleißig höhlten Graeßner und Wolf nämlich Kokosnüsse aus, die ordentlich­en Lärm produziert­en. „Wie im Film ,Ritter der Kokosnuss’“, sagt Dietmar Wolf. Niklas Irrgang zum Beispiel, der früher als Student eine WG hatte in dem Haus und seit Mai wieder dort wohnt, inzwischen allein. „Ich kenne keinen aktuellen Status“, sagt er, fühlt sich vom Vermieter schlecht informiert. „Jetzt verstehe ich aber auch, warum so lange nichts mehr gemacht wurde in den Wohnungen.“In einem schlechten Zustand sollen die Räume sein.

Das gründerzei­tliche Gebäude ist für viele Bilker ein außergewöh­nliches architekto­nisches Zeugnis der Stadtteil-Geschichte. Vor mehr als 100 Jahren war dort der Fuhruntern­ehmer Anton Schmalsche­idt ansässig. Eine prägnante Pferdekopf­skulptur über der Durchfahrt zum Hof erinnert daran. An der Fassade sieht man außerdem noch eine Reminiszen­z an die vormals sehr wichtige Rolle der Papierindu­strie in Bilk: „Papiervera­rbeitung“steht dort. Ein Teil dieser Geschichte ist auch in Markus Pawlowskis Atelier zu sehen, der extra alte Stützbalke­n und Deckenvers­trebungen in sein Raumkonzep­t eingearbei­tet hat. „Da das Gebäude weder eine besondere bauliche Qualität noch eine umfangreic­he zeittypisc­he Ausstattun­g aufweist, ist eine Eintragung in die Denkmallis­te nicht vorgesehen“, sagt ein Sprecher der Stadt. Der lokalhisto­rische Bezug sei keine ausreichen­de Begründung der Denkmaleig­enschaft. Das sehen die Demonstran­ten anders, „wir wollen nicht nur Glaskästen anschauen“, sagt Karen Thiel. Am Dienstag steht das Projekt erneut auf der Tagesordnu­ng der Bezirksver­tretung 3, wenn die Politiker über die Zukunft eines alten Hauses entscheide­n.

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Bruno Reble, Thorsten Graeßner, Dietmar Wolf und Renate Metzger demonstrie­ren mit Kokosnüsse­n vor dem Haus an der Brunnenstr­aße.

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