Rheinische Post

Neuer Slogan: „Nähe trifft Freiheit“

Unser Autor Paul Nachtwey hat in diesem Jahr sein Abitur gemacht. Jetzt arbeitet er als Volontär für den Verein BeeBob Hilft.

- VON PAUL NACHTWEY

Düsseldorf Marketing hat den künftigen Auftritt der Stadt vorgestell­t. Der Slogan wird kombiniert mit einer Schrift, die über den Rand geht.

Die Frau am Stand verschwind­et fast hinter dem Berg von Suppenhühn­ern und Sojaspross­en. Sie steht zwischen drei großen dampfenden Kochtöpfen, die über kleinen Feuerstell­en brodeln, und lächelt mir freundlich zu. Ich sitze am Rande der Markthalle von Stung Treng, einer kleinen Provinzhau­ptstadt im Norden von Kambodscha. Die Sonne ist erst vor Kurzem aufgegange­n, sie wirft ein warmes, friedliche­s Licht auf die Stadt. Neben mir stapeln die Verkäuferi­nnen geschickt das Gemüse vor ihren Ständen, am Straßenran­d bauen die Menschen ihre Garküchen auf.

Inmitten dieser Kulisse frühstücke ich seit einem Monat jeden Morgen eine große Portion Nudelsuppe. Die Kambodscha­ner lieben dieses Essen nach dem Aufstehen und vielleicht illustrier­t diese Gewohnheit am besten, wie unterschie­dlich das Leben hier abläuft. Düsseldorf scheint hier nicht nur beim Frühstück unfassbar weit entfernt zu sein.

Fünf Monate lang werde ich in Stung Treng leben und als Volontär für den Düsseldorf­er Verein BeeBob Hilft arbeiten, der hier ein Kinderdorf für Waisen aufgebaut hat. Vor einigen Jahren lebten diese noch ohne Zugang zu sauberem Wasser und Strom in einem Verschlag; sie gingen nicht in die Schule und mussten sich durch Betteln das Essen verdienen. BeeBob hat ihnen eine Perspektiv­e geschaffen. Eine Hausmutter kocht für die Jungen und Mädchen, die jetzt in einem stabilen Haus leben. Sie gehen in die Schule und erzählen mir von ihren Traumberuf­en, für die sie nach der Schule studieren möchten.

Jeden Tag fahre ich vormittags in das Kinderdorf und gebe den Jungen und Mädchen dort mit einer zweiten Volontärin Englischun­terricht. Im Schatten der Wohnhäuser unterricht­en wir Grammatik oder neue Vokabeln und bringen ihnen die Sprache spielerisc­h bei: Heute bauten wir zum Beispiel einen kleinen Marktstand vor der Tafel nach, um die entspreche­nden englischen Vokabeln und Gesprächsf­loskeln zu wiederhole­n. Die neue Sprache ist eine echte Herausford­erung für die Kinder, weil sie dafür auch das lateinisch­e Alphabet lernen müssen, das in ihrer Umgebung kaum vorkommt. Es bereitet mir daher umso mehr Freude, zu sehen, wie moti- viert die Jungen und Mädchen sich am Unterricht beteiligen und wie erfolgreic­h sie dabei sind.

Als Volontäre betreuen wir auch andere Projekte für BeeBob. Regelmäßig sprechen wir mit den Kindern über das Thema Müll, um ein Bewusstsei­n für ihre Umwelt zu entwickeln. Aktuell planen wir außerdem einen kleinen Garten neben den Wohnhäuser­n. Wir wollen den Kindern so zeigen, wie das Obst und Gemüse wächst, und dazu beitragen, dass das Kinderdorf selbststän­diger werden kann.

Viele meiner Freunde, mit denen ich im Frühjahr das Abitur gemacht habe, nutzen das Jahr danach, um ehrenamtli­ch zu arbeiten. Sie helfen in der Grundschul­e als Bundesfrei­willige oder absolviere­n ein Freiwillig­es Soziales Jahr im Krankenhau­s. Ich habe mich dazu entschiede­n, BeeBob zu unterstütz­en. Im vergangene­n Jahr lernte ich den Verein kennen, weil unsere Schule, das St.Ursula-Gymnasium, die Einnahmen des Spendenlau­fs an BeeBob adressiert­e. Damals hatte der Verein eine klare Botschaft an die Schüler: Jeder von uns kann einen Beitrag für diese Welt leisten, es braucht nur ein Problembew­usstsein und Ideenreich­tum. Es war ohne Zweifel die richtige Entscheidu­ng, für BeeBob zu arbeiten: Nach dem Schulabsch­luss wurde von meinen Freunden und mir vielfach erwartet, dass wir uns in ein Wettrennen um Leistung und Lebenslauf stürzen. Ich denke, dafür haben wir noch lange genug Zeit. Die Monate in Kambodscha schenken mir Abstand zum Alltag und – dieser Ausdruck ist ja beinahe schon zum Unwort verkommen – erweitern meinen Horizont.

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Paul Nachtwey gibt den Kindern im Waisenhaus Englischun­terricht.

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