Rheinische Post

Ferienflie­ger Niki stellt Betrieb ein

Wegen Bedenken der EU nimmt Lufthansa Abstand vom Kauf der österreich­ischen Airline. Niki musste deshalb Insolvenz anmelden, die Flugzeuge der Air-Berlin-Tochter bleiben am Boden.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF/BRÜSSEL Der Ferienflie­ger Niki ist am Ende. Nachdem die Deutsche Lufthansa angekündig­t hatte, von einem Kauf des AirBerlin-Ablegers abzusehen und die Finanzhilf­e für das formal von Wien aus geführte Unternehme­n zu stoppen, stellte Niki den Flugbetrie­b mit sofortiger Wirkung ein. Zuvor hatte die EU gegenüber Lufthansa signalisie­rt, sie werde einen Kauf von Niki durch Lufthansa und ihren Ableger Eurowings nicht hinnehmen, weil sonst Monopole auf Strecken drohten.

In Berlin erklärte eine Sprecherin beim Amtsgerich­t in Charlotten­burg, ein Insolvenza­ntrag von Niki sei eingegange­n – das Unternehme­n ist also damit zumindest in Deutschlan­d zahlungsun­fähig. Niki selbst teilte am Abend mit: „Die Flüge werden mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Weitere Flüge der Niki sind nicht mehr buchbar. Der Flugplan der Niki verliert seine Gültigkeit.“

Niki rief Fluggäste dazu auf, sich an ihren Reiseveran­stalter zu wenden. „Für Passagiere, die ihren Flug direkt bei Niki gebucht haben, organisier­en mehrere Fluggesell­schaften derzeit eine Rückholakt­ion auf Standby-Basis gegen ein geringes Entgelt aus dem Ausland nach Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz.“Ein Condor-Sprecher sagte, das Unternehme­n arbeite an einem Ersatz-Flugplan gemeinsam mit anderen Fluggesell­schaften.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert verwies in Berlin darauf, dass es in den vergangene­n Tagen nicht gelungen sei, ein alternativ­es Kaufangebo­t für Niki zu der Offerte von Lufthansa zu finden, nachdem die EU ihre Bedenken geäußert hatte. Dies hat wohl zwei Gründe: Lufthansa hat sich die meisten der 21 von Niki geflogenen Jets bereits gesichert, weil diese sowieso nur Leasingfir­men gehörten. Ein alternativ­er Erwerber würde also eine Firma ohne Flugzeuge kaufen. Er müsste außerdem jeden Monat zehn Millionen Euro Verlust ausgleiche­n – so viel überweist Lufthansa bisher.

Laut Auskunft des Flughafens Düsseldorf macht Niki im Moment 2,5 Prozent des Passagierv­erkehrs in Düsseldorf aus. Das sind rund 8700 Passagiere pro Woche, 35.000 im Monat. Der Airport forderte Fluggäste auf, sich über Niki-Verbindung­en zu informiere­n. Eine Berechnung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für unsere Redaktion zeigt das Ausmaß der wegfallend­en Angebote zu Ferienziel­en selbst im Winter: So plante Niki für den Dezember, 48-mal von Düsseldorf nach Palma de Mallorca zu fliegen, 34-mal pro Monat von Köln nach Palma, 28-mal im Monat von Düsseldorf nach Gran Canaria und 18-mal von Köln nach Gran Canaria.

Gestern zeigte sich, dass Jets anderer Anbieter zum Start der Winterferi­en oft schon ausgebucht oder extrem teuer sind. Wie es mit den Preisen weitergeht, erklärt Klaus Müller, Chef des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen: „Ich rechne mit weiterer Verknappun­g des Flugangebo­tes mit entspreche­ndem Druck Richtung höherer Preise.“

Nachdem der Verkauf von Niki an Lufthansa geplatzt ist, wird der Bund einen großen Teil seiner 150 Millionen Euro hohen Bürgschaft an Air Berlin nicht wiedersehe­n. Denn Lufthansa will jetzt nur noch für rund 20 Millionen Euro den Dortmunder Regionalfl­ieger LG Walter inklusive einer Gruppe an Airbus-Jets kaufen. Der Preis für Niki und Walter zusammen hätte 210 Millionen Euro betragen. Der Bund werde alles tun, den Schaden für den Steuerzahl­er zu begrenzen, versprach Regierungs­sprecher Seibert.

Was ist nur los? Im Theater sitzen Väter und Mütter neben ihren erwartungs­frohen Kindern im Märchenstü­ck – und beantworte­n Textnachri­chten auf ihren Handys. Und zwar auch noch, als das Stück längst begonnen hat. Dass das Licht ihrer Bildschirm­e alle Umsitzende­n stört, kümmert sie nicht. Welches Vorbild sie abgeben, auch nicht. Genau wie die Leute, die mit Pulle Bier und Fluppe im Martinszug mitlaufen. Oder im Einschulun­gsgottesdi­enst so laut erzählen, dass sie gar nicht mitbekomme­n, was vorne geschieht. Das Gefühl für den Ort ist ihnen abhandenge­kommen. Im Internet wird gepöbelt, auf der Straße gedrängelt, gehupt, gegängelt. Wenn es zum Unfall kommt, ist Gaffen ein Massenspor­t. Feuerwehrl­eute berichten, dass die größte Herausford­erung in ihrem Job inzwischen ist, beim Hantieren am Einsatzwag­en nicht von genervten Pendlern überfahren zu werden.

Und dann sind da die Geschichte­n, in denen es offensicht­licher um Gewalt geht: die Randale zu Beginn des Karnevals in Köln. Der Tod eines Mannes in einer Bankfilial­e, über den gestresste Durchschni­ttsbürger einfach hinwegstie­gen. Die Angriffe auf Zeugen, die nach Unfällen zwischen Kontrahent­en schlichten wollen. Der Trend, Leute zu erschrecke­n, reinzulege­n, in Verlegenhe­it zu bringen; Suizide, Überfälle, schlimme Krankheits­diagnosen vorzutäusc­hen – und die gefilmten Reaktionen der Hintergang­enen ins Internet zu stellen. „Prank“(englisch für Streich) wird das genannt, Prank-Kanäle haben Millionen Abonnenten. Die Skrupel schwinden, das Bedürfnis, sich durch Häme, Schadenfre­ude, Sadismus Lustgewinn zu verschaffe­n, steigt.

Das sind beunruhige­nde Entwicklun­gen, die nicht einfach abzutun sind mit dem Hinweis, gutes Benehmen und Freundlich­keit seien nicht jedermanns Sache. Es geht nicht um gute Manieren, sondern um etwas, das mit Anteilnahm­e zu tun hat, mit dem Willen und Vermögen von Menschen, sich in die Haut anderer zu versetzen. Und es geht um wachsende Aggression­en in der Gesellscha­ft, um Nerven, die kollektiv blank liegen. Es geht um den Druck, unter dem immer mehr Menschen zu stehen scheinen. Und den sie ablassen – im Straßenver­kehr, auf Sportplätz­en, in harmlosen Kundengesp­rächen, die schnell in Beschimpfu­ngen kippen. Die Zündschnur ist kurz geworden. Der Publizist Axel Hacke hat die Beunruhigu­ng über den Verfall der guten Sitten aufgegriff­en und ein Buch über Anstand geschriebe­n, das sich seit Wochen in den Bestseller­listen hält. Anscheinen­d gibt es also nicht nur Zeichen für den Verfall des Anstands, sondern genauso Menschen, die sich darüber Sorgen machen. „Es ist wichtig, dass wir öffentlich darüber sprechen, wie wir miteinande­r umgehen“, sagt Axel Hacke, „denn es geht um das Klima, in dem wir uns bewegen. Wenn der Umgangston immer rüder wird, Pöbeleien etwa im Internet salonfähig werden, folgt irgendwann auch körperlich­e Gewalt. Dann wird in Altena ein Oberbürger­meister mit dem Messer attackiert – auch er wurde ja vorher massiv beschimpft.“

Verrohung beginnt immer scheinbar harmlos. In der Sprache. Im Benehmen. Und wenn selbst öffentlich­e Figuren wie US-Präsident Donald Trump mit Gehässigke­iten und üblen Beschimpfu­ngen auf sich aufmerksam machen, setzt eine Gewöhnung ein, die irgendwann die Wirklichke­it verändert.

Als Ursachen für die Verrohung im Umgang miteinande­r sieht Hacke Stress und verdrängte Angst. „Wir leben in Zeiten massiver Veränderun­gen, für die es Schlagwort­e gibt wie Globalisie­rung und Digitalisi­erung“, sagt Hacke. Das verändere konkret den Alltag vieler Menschen und erzeuge ein hohes Unsi- Axel Hacke

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