Rheinische Post

Loveparade-Gericht falsch besetzt?

Im Strafproze­ss erhebt die Verteidigu­ng schwere Vorwürfe gegen das Gericht.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF/DUISBURG Die strafrecht­liche Aufarbeitu­ng der Katastroph­e auf der Loveparade, bei der am 24. Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen ums Leben kamen und 652 verletzt wurden, kommt nur mühsam in Gang. Auch der zweite Prozesstag im Düsseldorf­er Congressze­ntrum auf dem Messegelän­de war geprägt von Unterbrech­ungen, Formalität­en und Anträgen.

So reichten die Strafverte­idiger eine umfassende Besetzungs­rüge ein, deren Verlesung rund zwei Stunden in Anspruch nahm. Darin wurde erklärt, dass die Zuweisung des Verfahrens an die sechste Strafkamme­r des Duisburger Landgerich­ts aus Sicht der Verteidigu­ng einen eklatanten Verstoß gegen das Grundgeset­z darstelle. „Das ist reine Willkür“, sagte ein Strafverte­idiger. Hintergrun­d der Besetzungs­rüge ist, dass die fünfte Strafkamme­r des Duisburger Landgerich­ts die Eröffnung eines Strafverfa­hrens abgelehnt hatte. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf als höhere Instanz hatte die Anklage nach einer Beschwerde dann aber zugelassen und zurück an das Duisburger Landgerich­t gegeben – allerdings an die sechste Strafkamme­r. „Das ist rechtswidr­ig“, sagte ein Strafverte­idiger.

Für die Verteidigu­ng überrasche­nd kam gestern die Ausweitung der Anklage durch einen entspreche­nden Hinweis des Gerichts. Der Vorsitzend­e Richter Mario Pleine erklärte, dass die aus prozessöko­nomischen Gründen von der Staatsanwa­ltschaft auf 18 Fälle beschränkt­e Anklage wegen fahrlässig­er Körperverl­etzungen nun auf bis zu 50 Fälle ausgeweite­t werde. Die Strafverte­idiger reagierten darauf mit Unverständ­nis. Das sei ein neuer Sachverhal­t. Man müsse sich nun intensiv mit seinen Mandanten über die neue Situation beraten. Der für heute angesetzte dritte Verhandlun­gstag fällt unter anderem deshalb aus; erst kommenden Mittwoch geht es weiter.

Das Landgerich­t hat gestern alle Prozesster­mine bis Ende 2018 bekanntgeg­eben. Insgesamt sind 111 Verhandlun­gstage festgelegt. Vom 20. bis 28. Januar pausiert das Verfahren, weil dann auf dem Gelände die Publikumsm­esse „Boot“stattfinde­t. Dabei drängt die Zeit. Bis 2020 muss ein erstinstan­zliches Urteil gefallen sein, sonst verjähren die Vorwürfe. Angeklagt sind sechs Beamte der Stadt Duisburg und vier Mitarbeite­r des Veranstalt­ers wegen fahrlässig­er Tötung und Körperverl­etzung. Das öffentlich­e Interesse am Prozess scheint jedoch schon zu schwinden: Fast alle Zuschauerp­lätze blieben gestern leer; ebenso die der Pressevert­reter.

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