Modehändler H&M schließt Filialen
Die schwedische Bekleidungskette, die allein in der Region rund 30 Niederlassungen hat, leidet unter schwachen Umsätzen und dem Trend zum Online-Handel. Der Aktienkurs stürzt um 13 Prozent ab.
STOCKHOLM Beim schwedischen Textilhändler Hennes & Mauritz, der auch in Deutschland viele Niederlassungen betreibt, bahnt sich ein Filialsterben an. Die Skandinavier haben im letzten Quartal des Ende November abgeschlossenen Geschäftsjahres zwar nur vier Prozent an Umsatz eingebüßt. Aber die Konsequenzen, die die Modekette ankündigt, sind gravierend: Die Zahl der Läden wird sich wohl deutlich verringern.
Man werde die Verzahnung des stationären Geschäfts mit dem Online-Handel beschleunigen und das Ladenportfolio überprüfen, kündigte das Unternehmen an, das in der Region mit rund 30 Filialen vertreten ist. Das bedeutet: Es wird weniger Neueröffnungen und mehr Filialschließungen geben. Zwar hat H&M noch keine Zahlen zu den bevorstehenden Abbauplänen genannt, aber allein die Ankündigung hat an der Börse einen Kurssturz ausgelöst. Die Aktie verlor gestern bis Handelsschluss in Deutschland mehr als 13 Prozent an Wert und sackte damit auf den niedrigsten Stand der vergangenen acht Jahre.
Der Boom des Online-Handels wird für die Schweden wie für andere Anbieter von Bekleidung eine immer größere Last. Viele Kunden bestellen ihre Ware im Internet, lassen sich mehrere Artikel nach Hause schicken und schicken das zurück, was sie nicht brauchen. Amazon, Zalando und andere graben den arrivierten Filialisten damit immer mehr das Wasser ab. Das Umsatz- wachstum der Bekleidungsanbieter 2015 (ein Prozent auf 56 Milliarden Euro) geht allein auf das Konto der Online-Händler. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind die Umsätze laut Branchenkennern sogar zurückgegangen.
H&M war in der Branche jahrelang mit führend, wenn es darum ging, junge Mode preiswert anzubieten. Doch das ist Vergangenheit. Deshalb will der Konzern ab dem kommenden Frühjahr auch Waren auf der Online-Plattform Tmall anbieten, die dem chinesischen Internetriesen Alibaba gehört. Bisher konnten die Verkäufe übers Internet die schrumpfenden Verkäufe in den klassischen H&M-Läden nicht kompensieren. Und die machen immerhin 90 Prozent des gesamten Verkaufsnetzes aus.
Zudem sind Konkurrenten wie Primark auf den Markt gekommen, mit denen manche etablierten Anbieter beim Preis nicht konkurrieren können. „Unternehmen wie H&M drohen zwischen den großen Internet-Anbietern und den Extrem-Discountern aufgerieben zu werden“, heißt es in Handelskreisen. „Das Unternehmen hat eine fantastische Geschichte. Aber H&M steckt in seiner schlimmsten Krise überhaupt, und nun hat man Schwierigkeiten, das Schiff wieder zu wenden“, sagte der schwedische Bankier Claes Hemberg. H&M hat aber nicht nur Probleme mit der Online-Konkurrenz, sondern auch mit dem eigenen Warenangebot. Die Lager sind angeblich voll. H&M spricht selbst von „Ungleichgewichten in Teilen des Sortiments“.
Erstmals wurden Forderungen nach einem Rücktritt des H&M-Erben und seit 2009 amtierenden Konzernchefs Karl-Johan Persson laut. Es sei nicht das erste Mal, dass Erben im Gegensatz zu externen Geschäftsführern das Unternehmen ihrer Eltern schlecht führten, hieß es. Persson selbst zeigte sich einsichtig: „Wir können uns in allen Bereichen verbessern. Wir müssen schneller und flexibler in der Warenversorgungskette werden. H&M ist viele Jahre lang gewachsen, aber gleichzeitig hat unsere Welt sich durch andere Kaufmuster und mehr Digitalisierung verändert. Wir sehen, dass wir uns verändern müssen“, sagte er.
Natürlich kann man sich als Einzelhändler hinter dem Argument verstecken, am Elend in Teilen der Branche seien immer nur die bösen Online-Händler Schuld, die das Geschäft in den Innenstädten zerstörten. Erstens ist das aber wenig zukunftsträchtig, weil sich das Internet sicher nicht in Luft auflösen wird. Und zweitens ist der wachsende Online-Handel auch nur ein Teil des Problems.
Dass die traditionellen Textilfilialisten in die Mühlen zwischen Internet-Königen wie Amazon und Co. auf der einen und Discountern wie Primark auf der anderen Seite geraten, ist keine neue Erkenntnis. Es kommt darauf an, was man aus der Not macht. Sich mit Internet-Riesen zu verbünden und deren Infrastruktur als Verkaufsplattform zu nutzen, ist eine Möglichkeit. Dem Kunden in den Filialen ein straffes und übersichtlich dargebotenes Sortiment zu bieten, so dass er nicht durch die Niederlassung irrlichtern muss, ein anderes. Letzteres hat H&M an vielen Stellen versäumt. Und natürlich kann man vom Kunden mehr Geld verlangen als die Discounter. Dann muss die Qualität aber auch besser sein. Sonst ist man als vermeintlicher Kultanbieter irgendwann unglaubwürdig. BERICHT