SPD will über große Koalition reden
Anfang Januar sollen Sondierungen beginnen. Merkel lobt den SPD-Beschluss.
BERLIN Die SPD hat sich nach reiflicher Überlegung für Gespräche mit der Union über eine Fortsetzung der großen Koalition entschieden und dafür einen straffen Zeitplan vorgelegt. Parteichef Martin Schulz teilte gestern in Berlin mit, dass am Mittwoch die Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD noch einmal zusammenkommen werden. Anfang Januar sollen dann die Sondierungsgespräche über „eine möglichst stabile Regierung“starten.
Schulz kündigte für den 11. Januar eine Klausur des Parteivorstandes an. Auf Grundlage der Sondierungen werde dann entschieden, ob die Parteispitze einem vorläufig für den 14. Januar einberufenen Son- derparteitag eine Minderheitsregierung, eine Koalition oder eine andere Form der Kooperation vorschlage. Schulz betonte dennoch, die Gespräche über die Bildung einer neuen schwarz-roten Regierung müssten „konstruktiv, aber ergebnisoffen“geführt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg: „Ich habe vor diesem Beschluss großen Respekt.“Sie fügte hinzu: „Ich würde mich freuen, wenn wir zügig Klarheit haben.“Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, die nationalen und internationalen Herausforderungen ließen keine Zeit für Experimente. „Wir brauchen deshalb gerade in den nächsten Jahren eine Regierung auf einer absolut verlässlichen Ba- sis. Das ist eine Koalition.“Er sei überzeugt, dass Union und SPD das in fairen und vertrauensvollen Gesprächen trotz unterschiedlicher Auffassungen gelingen werde.
CDU-Vize Armin Laschet sagte unterdessen der Nachrichtenagentur Reuters, konkrete Forderungen der SPD könnten schon bald umgesetzt werden. Eine Bürgerversicherung lehne die Union zwar ab, nicht aber Verbesserungen für Kassenpatienten. Juso-Chef Kevin Kühnert sagte indes, ein Sonderparteitag bereits am 14. Januar sei viel zu kurzfristig angesetzt. Die Jusos wollten ihre Kampagne gegen eine große Koalition auch über die Weihnachtsfeiertage weiterführen.
Martin Schulz ist im Begriff, seine Partei auf einen riskanten Kurs zu manövrieren. Kommt die große Koalition, könnte der linke Flügel mit Schulz brechen. Wird eine große Koalition verhindert, kommen nur noch instabilere Modelle wie die Kooperationskoalition oder eine Minderheitsregierung in Betracht. Das wiederum könnte für Schulz bei fast absehbaren Neuwahlen bedeuten, dass er sein Amt räumen müsste. Gleichzeitig bleibt ihm nur dieser eine Kurs. Schulz, unter Druck gesetzt von einem Teil seiner eigenen Leute und nicht zuletzt vom Bundespräsidenten, darf sich Gesprächen mit der Union nicht länger verweigern. Die Beschlüsse sind da. Das Land und Europa warten auf eine neue Bundesregierung.
Wie kaum zuvor in seiner politischen Karriere benötigt Schulz nun all sein Verhandlungsgeschick, um mit seinem Sondierungsteam genug Punkte für die SPD zu sammeln. Doch dazu muss er endlich Farbe bekennen. Alle ahnen, dass er für die große Koalition ist. Auch die Unionsseite ahnt das oder weiß es gar schon. Und sie wird Schulz nun ebenfalls unter Druck setzen, klare Ansagen zum Verhandlungsziel zu machen. BERICHT