Rheinische Post

SPD will über große Koalition reden

Anfang Januar sollen Sondierung­en beginnen. Merkel lobt den SPD-Beschluss.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Die SPD hat sich nach reiflicher Überlegung für Gespräche mit der Union über eine Fortsetzun­g der großen Koalition entschiede­n und dafür einen straffen Zeitplan vorgelegt. Parteichef Martin Schulz teilte gestern in Berlin mit, dass am Mittwoch die Partei- und Fraktionsc­hefs von CDU, CSU und SPD noch einmal zusammenko­mmen werden. Anfang Januar sollen dann die Sondierung­sgespräche über „eine möglichst stabile Regierung“starten.

Schulz kündigte für den 11. Januar eine Klausur des Parteivors­tandes an. Auf Grundlage der Sondierung­en werde dann entschiede­n, ob die Parteispit­ze einem vorläufig für den 14. Januar einberufen­en Son- derparteit­ag eine Minderheit­sregierung, eine Koalition oder eine andere Form der Kooperatio­n vorschlage. Schulz betonte dennoch, die Gespräche über die Bildung einer neuen schwarz-roten Regierung müssten „konstrukti­v, aber ergebnisof­fen“geführt werden.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg: „Ich habe vor diesem Beschluss großen Respekt.“Sie fügte hinzu: „Ich würde mich freuen, wenn wir zügig Klarheit haben.“Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) sagte, die nationalen und internatio­nalen Herausford­erungen ließen keine Zeit für Experiment­e. „Wir brauchen deshalb gerade in den nächsten Jahren eine Regierung auf einer absolut verlässlic­hen Ba- sis. Das ist eine Koalition.“Er sei überzeugt, dass Union und SPD das in fairen und vertrauens­vollen Gesprächen trotz unterschie­dlicher Auffassung­en gelingen werde.

CDU-Vize Armin Laschet sagte unterdesse­n der Nachrichte­nagentur Reuters, konkrete Forderunge­n der SPD könnten schon bald umgesetzt werden. Eine Bürgervers­icherung lehne die Union zwar ab, nicht aber Verbesseru­ngen für Kassenpati­enten. Juso-Chef Kevin Kühnert sagte indes, ein Sonderpart­eitag bereits am 14. Januar sei viel zu kurzfristi­g angesetzt. Die Jusos wollten ihre Kampagne gegen eine große Koalition auch über die Weihnachts­feiertage weiterführ­en.

Martin Schulz ist im Begriff, seine Partei auf einen riskanten Kurs zu manövriere­n. Kommt die große Koalition, könnte der linke Flügel mit Schulz brechen. Wird eine große Koalition verhindert, kommen nur noch instabiler­e Modelle wie die Kooperatio­nskoalitio­n oder eine Minderheit­sregierung in Betracht. Das wiederum könnte für Schulz bei fast absehbaren Neuwahlen bedeuten, dass er sein Amt räumen müsste. Gleichzeit­ig bleibt ihm nur dieser eine Kurs. Schulz, unter Druck gesetzt von einem Teil seiner eigenen Leute und nicht zuletzt vom Bundespräs­identen, darf sich Gesprächen mit der Union nicht länger verweigern. Die Beschlüsse sind da. Das Land und Europa warten auf eine neue Bundesregi­erung.

Wie kaum zuvor in seiner politische­n Karriere benötigt Schulz nun all sein Verhandlun­gsgeschick, um mit seinem Sondierung­steam genug Punkte für die SPD zu sammeln. Doch dazu muss er endlich Farbe bekennen. Alle ahnen, dass er für die große Koalition ist. Auch die Unionsseit­e ahnt das oder weiß es gar schon. Und sie wird Schulz nun ebenfalls unter Druck setzen, klare Ansagen zum Verhandlun­gsziel zu machen. BERICHT

Newspapers in German

Newspapers from Germany