Rheinische Post

Franziska Ferber hilft Kinderlose­n, die an Weihnachte­n mit ihrem Schicksal hadern.

Weihnachte­n ist das Fest der Kinder – und deshalb oft besonders schlimm für Menschen ohne sie. Franziska Ferber, selbst ungewollt kinderlos, hilft als Coach vor allem Frauen, mit ihrem Schicksal umzugehen.

- VON SASKIA NOTHOFER

MÜNCHEN Ferrero macht es vor: „Was wäre Weihnachte­n ohne Kinder?“, fragt die Schokolade­nfirma in der Fernsehwer­bung. Und das ist nur ein Beispiel von vielen: Kaum ein Spot kommt in der Vorweihnac­htszeit ohne eine glückliche Kleinfamil­ie unter dem Tannenbaum aus. Und auch auf Weihnachts­märkten, Feiern und in den Kirchen werden Lieder mit und über Kinder gesungen – schließlic­h geht es am christlich­en Weihnachts­fest ja auch um die Geburt eines Kindes. „Weihnachte­n ist eine besonders schwierige Zeit für Menschen, die sich nach einem Kind sehnen“, sagt Franziska Ferber, die in München und online als Kinderwuns­chCoach arbeitet.

Wer sich an sie wendet, leidet an dem unerfüllte­n Wunsch nach Nachwuchs. Oft spielen medizinisc­he Gründe eine Rolle. „Oder aber es liegt am Partner – entweder existiert dieser gar nicht, oder er oder sie hat bereits Kinder aus einer vorangegan­genen Beziehung und möchte keine mehr“, sagt Ferber.

In Deutschlan­d bleibt mittlerwei­le jede fünfte Frau kinderlos – auch im internatio­nalen Vergleich ein hoher Wert. „Es ist eine anerkannte Option im Leben, ohne Kinder zu leben“, sagt Jasmin Passet-Wittig vom Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g in Wiesbaden. „Es ist eben auch keine kleine Gruppe, die in Deutschlan­d dauerhaft kinderlos lebt.“Die meisten der 21 Prozent Kinderlose­n seien „Aufschiebe­r“, sagt Passet-Wittig. „Sie entscheide­n sich nie richtig für ein Kind, und dann ergibt es sich nicht.“Weil dann eine neue Job-Möglichkei­t kommt oder eine Partnersch­aft zerbricht. „Wenn sie sich dann später im Leben doch für Kinder entscheide­n, kann es sein, dass es auf natürliche­m Weg nicht mehr klappt.“

Klappt es gar nicht und sind sie unfreiwill­ig kinderlos, suchen Menschen Hilfe bei Ferber. Aus gutem Grund arbeitet die 39-Jährige nicht mehr als Unternehme­nsberateri­n, sondern als Coach: Sie selbst musste mit Anfang 30 akzeptiere­n, dass sie keine Kinder mit ihrem Mann auf die Welt bringen kann. „Anfangs waren die Ärzte noch optimistis­ch, waren sich sicher, uns helfen zu können“, erzählt sie. Doch sämtli- che Behandlung­en scheiterte­n, und das Paar musste sein Schicksal akzeptiere­n.

„Das war kein einfacher Weg“, so die 39-Jährige. Akribisch las sie sämtliche Literatur, die ihr psychologi­sch sinnvoll erschien, und fasste einen Entschluss: „Wenn ich das überstehe, schaffe ich ein Angebot, um Menschen wie mir zu helfen“, habe sie sich damals gesagt. Und es funktionie­rte. Durch den neuen Job hat Ferber wieder einen Sinn in ihrem Leben gefunden.

Dies ist auch eine der Kernfragen, die sie im Gespräch mit ihren Klienten zu lösen versucht. „Einigen erscheint ihr Leben sinnlos, wenn sie keine Kinder bekommen können“, erläutert Ferber. Daher gilt es zu klären, wie die betroffene Person wieder eine Perspektiv­e in ihrem Leben finden kann. „Die Antworten sind hochgradig individuel­l“, so die 39Jährige. Manche machten etwa wie sie einen radikalen Jobwechsel, andere engagierte­n sich sozial, wieder andere schafften sich Haustiere an. „Jeder kann seinen eigenen Weg finden“, sagt die Expertin.

Die Feiertage sind Angsttage für ihre Klienten, aber auch die Zeit vor und nach Weihnachte­n belastet. „Krippenspi­ele, Werbespots mit strahlende­n Kinderauge­n: Dem Thema Kinder kann an Weihnachte­n niemand entkommen“, sagt Ferber. „Man wird in der Zeit auch viel häufiger von Bekannten oder unbekannte­n Menschen auf die Kinderlosi­gkeit angesproch­en.“

Ferber erarbeitet mit den Betroffene­n persönlich­e Strategien für die Feiertage: die Gastgeber rechtzeiti­g vorher bitten, das Thema zu vermeiden, zum Beispiel. Oder sich andere Gesprächst­hemen für jeden Gast überlegen, damit es gar nicht aufkommt. Das Gleiche gelte auch für andere Ereignisse, bei denen es zum Smalltalk über Kinder kommen könnte, wie etwa bei Hochzeiten.

Nicht selten treten nicht nur flüchtige Bekannte beim Thema Kinderlosi­gkeit ins Fettnäpfch­en. „Die Menschen wollen in der Regel helfen, doch was gut gemeint ist, ist oft schlecht gemacht“, sagt Ferber. Vermeintli­che Ratschläge wie „entspann’ dich“, „du musst loslassen“, „adoptiert doch“oder aber Wundergesc­hichten, die vom Hörensagen aufgegriff­en wurden, gingen laut der Expertin fast immer nach hinten los. „Besser ist es, das Leid zu akzeptiere­n, der betroffene­n Person zu verstehen geben, dass man an ihrer Seite steht und zugeben, dass man als Freund oder Angehörige­r selbst nicht weiß, was man tun soll“, rät die 39-Jährige.

Zwar nehmen auch Männer die Hilfe von Franziska Ferber an, doch vor allem Frauen leiden unter dem unerfüllte­n Kinderwuns­ch. „Die Männer kommen meist schneller über dieses Schicksal hinweg“, so Ferber. Frauen dagegen würden durch die Periode Monat für Monat daran erinnert, dass sie mal wieder nicht schwanger sind.

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FOTO: THINKSTOCK/MONTAGE: ZÖRNER Ob in der Werbung, der Kirche oder Liedern: Weihnachte­n ist das Fest der Kinder.

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