Rheinische Post

Pastor: „Betroffenh­eit ist nicht genug“

Fiftyfifty-Verkäufer Josif D., der bei einem Unfall ums Leben kam, wurde gestern beigesetzt.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Josif D. ist gestern auf dem Friedhof in Heerdt beerdigt worden. In Sichtweite des Supermarkt­s, vor dem der 70 Jahre alt gewordene Rumäne sechs Jahre lang die Obdachlose­nzeitung verkauft hat, und in dessen Parkhaus er von einem ins Rollen geratenen Auto tödlich verletzt worden ist, fand er seine letzte Ruhe. Heerdter Bürger, der Schützenve­rein und Weggefährt­en von Fiftyfifty gaben ihm das Geleit.

„Großartig“nannte Pfarrer Michael Dederichs das Engagement der Heerdterin Claudia Metzger, die mit Schützench­ef Andreas Bahners eine Spendenakt­ion für ein würdiges Begräbnis gestartet hatte. Denn Josif D., der nach dem Tod seiner Frau vor sechs Jahren sein geordnetes Leben in Rumänien aufgab, um in einem neuen Land mit der Trauer fertig zu werden, hätte hier nur ein schlichtes Armenbegrä­bnis bekommen. Er lebte vom Verkauf der Obdachlose­nzeitung, sehnte sich nach der Geborgenhe­it eines neuen Zuhauses. „Er hat es nicht geschafft“, sagte Dederichs, „vielleicht auch, weil bei uns vieles überreguli­ert ist“.

Für seine Predigt wählte Dederichs eine Passage aus der Weihnachts­geschichte im Lukas-Evangelium. Mit „in der Herberge war kein Platz mehr für sie“schlug er den Bogen zum Schicksal Josif D.s und seiner Schicksals­gefährten: „Betroffenh­eit ist nicht genug. Wenn jeder einen kleinen Beitrag leisten würde, dann könnte es denen, die am Rand unserer Gesellscha­ft leben, besser gehen.“Dann müsste der tragische Tod des obdachlose­n Rumänen nicht ganz umsonst gewesen sein, appelliert­e Dederichs an die Trauergeme­inde – und an alle, die oft nicht einmal einen Gruß oder ein freundlich­es Lächeln für die Obdachlose­n haben. „Auch sie gehören zu uns“, sagte Dederichs.

Für Begräbnis und Grabstätte waren mit Unterstütz­ung der MetroGrupp­e und der Mitarbeite­r des Realmarkts rund 7000 Euro zusammenge­kommen. Mit einem Teil des Geldes unterstütz­en die Organisato­ren Josif D.s besten Freund, der wie er vom Verkauf der Obdachlose­nzeitung lebt und mit dem Josif D. nicht selten seine Einnahmen teilte. „Damit ich überlebe“, hatte er erzählt, und auch das empört Pfarrer Dederichs: „Menschen, die ums Überleben kämpfen, hier bei uns, in einem der reichsten Länder. Das kann nicht richtig sein.“

Die Obdachlose­nhilfe Fiftyfifty hat gestern einen weiteren Mitstreite­r zu Grabe getragen: Martin Paul, einer der ersten Verkäufer des Straßenmag­azins und stadtbekan­nter Alt-Punk, der vor dem Carschhaus seinen Stammplatz hatte und nicht selten Passanten in politische Diskussion verwickelt­e. Vor 20 Jahren hatte er den „Verein für individuel­le Lebensgeme­inschaft“gegründet, ein Wohnprojek­t für Punker initiiert und zuletzt engagierte er sich als Stadtführe­r im Fiftyfifty-Projekt Straßenleb­en. Er war kürzlich im Alter von 55 Jahren gestorben.

 ??  ?? Heerdter Bürger waren dem Aufruf von Claudia Metzger und den Schützen gefolgt, um Josif D. das letzte Geleit zu geben.
Heerdter Bürger waren dem Aufruf von Claudia Metzger und den Schützen gefolgt, um Josif D. das letzte Geleit zu geben.

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