Rheinische Post

Trumps Jahr bei Twitter

Der US-Präsident regiert mithilfe des Kurznachri­chtendiens­tes. Er wütet, hetzt, beschwicht­igt und beleidigt. Konzerne, Promis oder Politiker – niemand ist sicher. Die Konsequenz­en sind mitunter verhängnis­voll.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Die besten elf Minuten des Jahres? Folgt man dem Urteil von Zeitgenoss­en, die Donald Trump kritisch gegenübers­tehen, dann waren es jene elf Minuten, in denen der Präsident der Vereinigte­n Übersetzun­g Staaten nichts twittern konnte. In denen himmlische Ruhe herrschte, weil ein Mitarbeite­r des Kurzmittei­lungsdiens­tes das Konto von @realDonald­Trump gesperrt hatte. Ansonsten aber ist es ein Kapitel enttäuscht­er Erwartunge­n. Als der Immobilien­magnat die Wahl gewann, orakelten die Auguren, dass es wohl bald vorbei sein werde mit der Trump’schen Twitterorg­ie. Sitze der Mann erst im Oval Office, werde er Bürde und Würde des Amts zu schätzen lernen und sowieso kaum noch Zeit finden für Kurzkommen­tare in maximal 140 Zeichen (mittlerwei­le 280 Zeichen). Da lag die konvention­elle Weisheit gründlich daneben, wie schon so oft im Falle Trumps. Gegen halb sechs schaltet Trump nach dem Aufwachen den Fernseher an, schaut Nachrichte­n bei CNN und landet bald bei Fox News, dem Hauskanal der Konservati­ven, wo mit „Fox & Friends“seine Lieblingss­endung läuft. Was er zur Frühstücks­zeit an Tweets schreibt, nimmt häufig auf Fox und die Freunde Bezug. Es sei denn, er hat den Fernsehmor­gen bei „Morning Joe“verbracht, einer Show des linksliber­alen Senders MSNBC, deren Grundton ihn oft auf die Palme bringt, auch wenn – oder gerade weil – sie von einem ehemaligen republikan­ischen Kongressab­geordneten namens Joe Scarboroug­h moderiert wird. Sind Trumps Zeilen besonders ruppig, liegt es nicht selten daran, dass er zum Konter gegen „Morning Joe“ansetzt.

Jedenfalls gab er das ganze Jahr über dem Impuls nach, seine Widersache­r, echte oder auch nur vermeintli­che, mit dem Vokabular eines pubertiere­nden Teenagers herabzuset­zen. Kim Jong Un war der „kleine Raketenman­n“, was er noch süffisant steigerte, als er auf eine scharfe Replik aus Pjöngjang antwortete, er verstehe nicht, wieso man ihn alt nenne, wo er doch auch nicht behaupte, dass Kim klein und dick sei.

Auch Parteifreu­nde verschonte Donald Trump nicht mit seinen Attacken, sobald diese den Mut hatten, ihm zu widersprec­hen. Über Bob Corker, einen Senator aus Tennessee, lästerte er, den Mann würden sie in Tennessee nicht mal zum Hundefänge­r wählen. Zuvor hatte Corker das Weiße Haus mit einem Betreuungs­zentrum für Erwachsene verglichen. Und angesichts wüster Ausfälle des wichtigste­n Bewohners hinzugefüg­t, dass jemand an diesem Morgen offenbar nicht zur Schicht erschienen sei.

Jeff Flake, einen Senator aus Arizona, erklärte der Vielschrei­ber zum traurigen Verlierer, der im großen Staat Arizona kein Votum mehr reißen könne, nachdem Flake von rücksichts­losem, unverschäm­tem, würdelosem Verhalten an der Staatsspit­ze gesprochen hatte.

Dann wären da noch die Nebelkerze­n. Eine zündete Trump, als er im März mit Angela Merkel zur Pressekonf­erenz im East Room seiner Residenz erschien und man kein promoviert­er Psychologe sein musste, um die Spannungen zwischen beiden zu spüren. Es dauerte nicht lange, bis er den „Fake-NewsMedien“, die nur wiedergabe­n, was offenkundi­g war, unwahre Berichte unterstell­te. Im Gegensatz zu dem, was man dort lese, sei es großartig gewesen, sein Treffen mit der deutschen Kanzlerin. Dennoch, Deutschlan­d schulde den USA Geld.

Oder die merkwürdig­e Masche, Kabinettsm­itglieder via Twitter zu Auslaufmod­ellen zu stempeln. Im Juli schrieb er von „unserem belagerten“Justizmini­ster, womit er prompt den (letztlich irreführen­den) Eindruck erweckte, als seien die Tage Jeff Sessions‘ an der Spitze des Justizress­orts gezählt. Im Oktober fuhr er seinem Außenminis­ter Rex Tillerson an den Karren, indem er ihn wissen ließ, dass er nur seine Zeit verschwend­e, wenn er mit dem kleinen Raketenman­n zu verhandeln versuche. Seither meldet die Gerüchtebö­rse mit schönster Regelmäßig­keit, Tillersons Abgang sei nur noch eine Frage von Tagen, allenfalls Wochen.

Ende November dann war es Theresa May, die ihr Fett abbekam, immerhin die Regierungs­chefin eines Landes, das sich den USA in inniger „special relationsh­ip“verbunden fühlt. „Uns geht es gut“, twitterte der Präsident, zunächst an die falsche Theresa May gerichtet, was allerdings nicht im Sinne einer Urlaubspos­tkarte gemeint war. Die Premiermin­isterin möge sich auf den radikalisl­amischen Terrorismu­s im Vereinigte­n Königreich konzentrie­ren, wies er sie zurecht. Damit revanchier­te er sich für eine Gardinenpr­edigt der Britin, die nicht amüsant fand, wie Trump islamfeind­liche Propaganda­filme einer ultrarecht­en Organisati­on zur Ansicht empfahl.

Zum Schluss eine Randnotiz: Verfasst Barack Obama ein paar Zeilen bei Twitter, erreicht er fast 98 Millionen Adressaten. Mehr als doppelt so viele wie Donald Trump.

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