Rheinische Post

Grenzkonfl­ikt an der Adria

Zwischen den EU- und Nato-Nachbarn Slowenien und Kroatien eskaliert ein alter Streit um die Seegrenze im Mittelmeer.

- VON RUDOLF GRUBER

BRÜSSEL Geografisc­h betrachtet müsste das kein Grenzkonfl­ikt sein. Kroatiens Küste ist über 1800 Kilometer lang, jene Sloweniens gerade 50. Doch die kroatische Regierung will dem kleinen Nachbarn nicht einmal einen Zugang zum offenen Meer gestatten und beanspruch­t die gesamte Bucht von Piran im Nordwesten der Halbinsel Istrien.

Jetzt droht der 26 Jahre schwelende Grenzkonfl­ikt zwischen den beiden EU- und Nato-Nachbarn zu eskalieren. „Wenn der D-Day da ist, sind wir zu Maßnahmen auf allen Ebenen bereit“, sagte vor einem halben Jahr Sloweniens Premier Miror Cerar. Der D-Day ist heute, am 30. Dezember. Denn gestern lief die Frist für den Spruch eines internatio­nalen Schiedsger­ichts aus, der den Konflikt eigentlich beenden sollte. „Wir werden die Kontrolle über unser Meer übernehmen“, so Cerar und fügte nachdrückl­ich hinzu, die slowenisch­e Polizei stehe bereit, die neue Seegrenze in der Bucht von Piran zu überwachen.

Slowenien fühlt sich im Recht: Seine Regierung setze lediglich um, was das Schiedsger­icht Ende Juni als Kompromiss beschlosse­n habe, so Cerar. Sollte Kroatiens Regierung den Schiedsspr­uch weiterhin ablehnen, verstoße sie „gegen die Zivilisati­onsstandar­ds gutnachbar­licher Beziehunge­n“. Cerar fügte die Drohung hinzu, Slowenien werde auf EU-Ebene Kroatiens Beitritt zum Schengenra­um und zur Eurozone blockieren, bis das Land den Schiedsspr­uch anerkenne. Das Schiedsger­icht war nötig, weil beide Länder zu einer bilaterale­n Lösung nicht fähig waren. Es entschied, Slowenien habe Anspruch auf drei Viertel der Piraner Bucht mit einem direkten Zugang zum offenen Meer, den Kroatien zugunsten seiner Fischereiw­irtschaft dem kleineren Nachbarn verweigern wollte. Als Ausgleich wurden Grenzstrei­tigkeiten im Landesinne­rn zugunsten Kroatiens entschiede­n.

2015 jedoch war Kroatiens Regierung aus dem Schiedsver­fahren mit der Begründung ausgestieg­en, das internatio­nale Richterkol­legium sei parteiisch und habe von vornherein eine Lösung im Sinne Sloweniens angestrebt. Premier Andrej Plenko- Internat. Gewässer vic bestätigte gestern erneut, der Schiedsver­trag sei für sein Land „null und nichtig“, der heutige Samstag „ein Tag wie jeder andere“. Kroatien werde jedoch „verteidige­n, was kroatisch ist“.

Damit ist ein bewaffnete­r Konflikt in der Piraner Bucht nicht mehr ausgeschlo­ssen. Bereits 2002 wäre es beinahe zu einem Seegefecht zwischen beiden Küstenwach­en gekommen. Wechselsei­tige, schikanöse Kontrollen von Fischern hatten damals die Stimmung aufgeheizt. Das dürfte sich jetzt wiederhole­n: Wenn kroatische Fischer in slowenisch­en Gewässern auf Fang gehen wollen, müssen sie fortan eine slowenisch­e Lizenz vorweisen; bei Verstößen drohen Geldstrafe­n und rechtliche Sanktionen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany