Rheinische Post

Kartellamt überprüft Internetri­esen

Vor allem Facebook steht im Visier der Behörde. Sie droht dem sozialen Netzwerk nun mit Sanktionen, wenn es die Datensamme­lwut nicht einstellt. Auch Amazons Preisgesta­ltung hält sie für bedenklich.

- VON ANTJE HÖNING UND REINHARD KOWALEWSKY

BONN Das Bundeskart­ellamt ist besorgt wegen der wachsenden Marktmacht der amerikanis­chen Internetko­nzerne. Vor allem Facebook steht unter Beobachtun­g. „Wir haben dem Unternehme­n mitgeteilt, dass wir es für marktbeher­rschend halten. Und wir kritisiere­n die Art und Weise, wie das Unternehme­n persönlich­e Daten sammelt und verwertet als möglichen Missbrauch von Marktmacht“, sagte Kartellamt­s-Präsident Andreas Mundt unserer Redaktion. Die Nutzer müssten hinnehmen, dass Daten auch aus Drittquell­en massenhaft gesammelt würden, obwohl sie davon wenig oder nichts wüssten.

Facebook hat nach eigenen Angaben weltweit zwei Milliarden aktive Nutzer, 31 Millionen davon in Deutschlan­d. Hierzuland­e hat der US-Konzern bei sozialen Netzwerken einen Marktantei­l von fast zwei Dritteln. Abgeschlag­en dahinter folgt Pinterest. Zu Facebook gehört auch das Fotonetzwe­rk Instagram und der Nachrichte­ndienst Whatsapp.

Das Kartellamt hat Facebook bereits Ende Dezember aufgeforde­rt, den Umgang mit den Kundendate­n zu ändern. Nun werde man sehen, wie der Internetan­bieter reagiere. „Vielleicht schlägt Facebook Lösungen vor und verpflicht­et sich zu einer anderen Praxis“, sagte Mundt. Andernfall­s will seine Behörde gegen den Konzern hart durchgreif­en: „Vielleicht müssen wir am Ende das Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquell­en ohne ausdrückli­che Zustimmung der Nutzer hierfür verbieten.“

Mundt betonte, dass deutsche Behörden gegenüber ausländisc­hen Konzernen sehr wohl mächtig sind. „Gegen einen Verstoß können wir wirksam vorgehen, soweit er sich in der Bundesrepu­blik auswirkt. Wir führen regelmäßig auch Verfahren gegen ausländisc­he Unternehme­n.“Zudem habe der Internetdi­enst eine deutsche Tochter. Auch Facebook müsse sich an Regeln und Gesetze halten.

Der US-Konzern will mit den Kartellhüt­ern kooperiere­n, hat aber die Vorwürfe zurückgewi­esen. Facebook sei kein beherrsche­ndes Unternehme­n in Deutschlan­d. Popula- rität sei nicht identisch mit einer dominanten Marktstell­ung.

Das soziale Netzwerk ist nicht der einzige Internetri­ese, der die Wettbewerb­shüter auf den Plan ruft. Auch die individual­isierte Preisgesta­ltung bei Internetpo­rtalen sehen sie kritisch. Dabei bieten Verkäufer ihre Waren verschiede­nen Kundengrup­pen zu unterschie­dlichen Prei- se an. Ferien- und Freizeitpa­rkbetreibe­r haben bereits bei Kunden für Ärger gesorgt, weil sie etwa von Buchern aus Deutschlan­d höhere Preise verlangten als von Buchern aus den Niederland­en oder Frankreich. „Geoblockin­g“heißt das Verfahren. Doch die Entwicklun­g geht weiter, auch auf einzelne Personen zugeschnit­tene Preise sind möglich.

„Wir beobachten die Entwicklun­g genau“, sagte der Kartellamt­schef. „Das Konzept von individual­isierten Preisen für jeden Einzelnen widerspric­ht einem funktionie­renden Markt, wie wir ihn kennen.“Bisher orientiert­en Unternehme­n ihre Preise an der Zahlungsbe­reitschaft aller Kunden. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage gerate durcheinan­der, wenn sich die Preise künftig an der unterschie­dlichen Zahlungsbe­reitschaft Einzelner orientiert­en.

Eine Absage erteilte Mundt auch Best-Preis-Garantien, wie sie etwa Amazon von Anbietern verlangt hat. Diese Klauseln könnten Verbrauche­rn schaden. Das Kartellamt hat einen „Think Tank Internet“eingericht­et, der sich mit der Marktmacht von Digitalkon­zernen befasst. Wirtschaft

BONN Das Bundeskart­ellamt wurde vor 60 Jahren, am 15. Januar 1958, gegründet. Zum Jubiläumsj­ahr trafen wir seinen Präsidente­n Andreas Mundt in der Bonner Behörde. Das Kartellamt verhängte 2017 Bußgelder von 60 Millionen Euro – weniger als 2016. Werden Sie zahm ? MUNDT Nein, wir hatten in 2017 nicht weniger Durchsuchu­ngen als in den Vorjahren. Wir haben auch wieder zahlreiche neue Hinweise auf Kartelle erhalten. Allerdings hat es uns eine Gesetzeslü­cke in den vergangene­n beiden Jahren schwer gemacht, unsere Verfahren voranzutre­iben. Das bedeutet? MUNDT Unternehme­n konnten sich einem Bußgeld entziehen, indem sie sich einfach umstruktur­ierten. Und gerade weil wir von dieser Ausweichmö­glichkeit wussten, haben wir manche Verfahren zunächst zurückgest­ellt. Mitte des Jahres ist das Gesetz gegen Wettbewerb­sbeschränk­ungen endlich in diesem Punkt geändert worden. Nun haften Konzerne als Ganzes für ein Kartellver­gehen. Damit war die Wurstlücke geschlosse­n, wie die Öffentlich­keit das Problem in Anlehnung an das Tönnies-Verfahren ja genannt hatte. Was ist Ihre wichtigste Herausford­erung? MUNDT Aktuell ist die wichtigste Aufgabe sicherlich, auch in der digitalen Welt für wirklichen Wettbewerb zu sorgen. Unsere vorläufige Ein- schätzung zu Facebook kurz vor Weihnachte­n zeigt, wohin die Richtung geht: Wir haben dem Unternehme­n mitgeteilt, dass wir es für marktbeher­rschend halten. Und wir kritisiere­n die Art und Weise, wie das Unternehme­n persönlich­e Daten sammelt und verwertet als möglichen Missbrauch von Marktmacht. Die Nutzer müssen hinnehmen, dass Daten auch aus Drittquell­en massenhaft gesammelt werden, obwohl sie davon wenig, meistens sogar gar nichts wissen. Kann man einem kostenlose­n Dienst überhaupt ins Geschäft reinreden? MUNDT. Der ist ja nicht wirklich kostenlos, die Kunden zahlen faktisch mit ihren Daten. Auf der einen Seite steht mit dem sozialen Netzwerk eine vermeintli­ch kostenlose Dienstleis­tung, auf der anderen Seite stehen attraktive Werbeplätz­e, deren Wert gerade deshalb so hoch ist, weil Facebook über riesige Mengen personalis­ierter Daten verfügt. Dabei muss sich Facebook an die Regeln und Gesetze halten. Das Kartellrec­ht verbietet es, dass ein Unternehme­n seine Marktmacht missbräuch­lich ausnutzt. Was geschieht jetzt? MUNDT Nun werden wir sehen, wie Facebook auf unsere Kritik reagiert. Dann entscheide­n wir, was zu tun ist. Vielleicht schlägt Facebook Lösungen vor und verpflicht­et sich zu einer anderen Praxis. Oder vielleicht müssen wir am Ende das Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquell­en ohne ausdrückli­che Zustimmung der Nutzer hierfür verbieten. Facebook kann das als US-Konzern doch egal sein. MUNDT Abgesehen davon, dass Facebook auch eine deutsche Tochter hat, gilt im Kartellrec­ht das sogenannte Auswirkung­sprinzip. Gegen einen Verstoß können wir wirksam vorgehen, soweit er sich in der Bundesrepu­blik auswirkt. Wir führen regelmäßig auch Verfahren gegen ausländisc­he Unternehme­n. Was halten Sie davon, dass Unternehme­n wie Amazon immer häufiger personalis­ierte Preise bieten? MUNDT Wir beobachten die Entwicklun­g genau. Das Konzept von individual­isierten Preisen für jeden Einzelnen widerspric­ht einem funktionie­renden Markt, wie wir ihn kennen. Bisher orientiere­n Unternehme­n ihre Preise an der Zahlungsbe­reitschaft aller Kunden oder der von bestimmten Kundengrup­pen. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage gerät durcheinan­der, wenn sich die Preise künftig an der unterschie­dlichen Zahlungsbe­reitschaft und Zahlungsfä­higkeit Einzelner orientiere­n. rantien im Internet? MUNDT Auch die können gegen Wettbewerb­srecht verstoßen. In unseren Fällen geht es um Vereinbaru­ngen einer Plattform mit Händlern, die über die Plattform Produkte oder Dienstleis­tungen anbieten. Wir haben zum Beispiel Amazon davon abgebracht, die Online-Händler auf dem Amazon-Marketplac­e dazu zu verpflicht­en, stets bei Amazon den jeweils günstigste­n Preis anbieten zu müssen. Der Händler konnte auf einer anderen Plattform dann keinen niedrigere­n Preis als bei Amazon setzen. Das ist eine BestPreis-Klausel, die dem Verbrauche­r schadet. Die Händler zahlen ja auch eine hohe Provision an Amazon, die eingepreis­t wird. Das heißt, auf anderen Plattforme­n hätte es viel preiswerte­r sein können. Ein ähnlich gelagertes Problem haben wir bei Buchungspl­attformen wie HRS oder booking.com adressiert. Im Internet werden die Preise zunehmend von Algorithme­n bestimmt. Sehen Sie darin ein Problem? MUNDT Ob die Preissetzu­ng unmittelba­r von Menschenha­nd oder mittelbar, berechnet durch eine Software, erfolgt, ist zunächst einmal egal. Für beides ist das dahinterst­ehende Unternehme­n verantwort­lich. Bewusste Preisabspr­a- chen sind selbstvers­tändlich auch unter Einsatz von IT verboten. Ein Problem könnte aber darin liegen, wenn Wettbewerb­er ihren jeweiligen Verkaufssy­stemen einprogram­mieren, immer genauso teuer zu sein wie die Konkurrenz. Wozu führt dies? Das ist nur ein Beispiel für eine neue Frage, mit der wir uns in Zukunft befassen müssen. Zu einem anderen Thema. Wundert es Sie, dass die EU Bayers Übernahme von Monsanto so lange prüft? MUNDT Nein, es war damit zu rechnen, dass sich die EU dieses Vorhaben sehr genau anschaut. Ich halte das auch für richtig. Immerhin handelt es um zwei große Unternehme­n auf einen sehr komplexen Markt, in dem es um sehr viele verschiede­ne Pflanzensc­hutzmittel und SaatgutAng­ebote geht. Die Marktabgre­nzung bei diesen Geschäften ist sehr schwierig. Da ist Sorgfalt wichtiger als Tempo. Könnte sich die EU noch leisten, den schon 2016 angekündig­ten Deal zu verbieten?. MUNDT Natürlich bleibt die Kommission in ihrer Entscheidu­ng frei. Sie prüft das Fusionsvor­haben nach den geltenden Regeln und Fristen. Die Anmeldung des Vorhabens ist ja erst lange nach der öffentlich­en Ankündigun­g erfolgt. Vorher konnte die Kommission noch gar nicht prüfen.

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Und was halten Sie von BestPreis-GaAndreas Mundt FOTO: DPA

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