Rheinische Post

REPUBLIK Merkel allein auf der Bank

Mit jedem Tag, den dieses neue Jahr älter wird, steigt die Wahrschein­lichkeit, dass es Angela Merkels letztes ist als Kanzlerin.

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In Italien gibt es jetzt holterdiep­olter eine Neuwahl, und ExPremier Matteo Renzi behauptet gleichwohl keck, so instabil wie Deutschlan­d sei Italien aber nicht. Deutschlan­d Anfang 2018 instabiler als das seit jeher zerklüftet­e Italien, diesen Spruch muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Solche römischen Witze auf Kosten Berlins sind möglich, weil keiner mehr mit Angela Merkel will. Bis auf die Grünen möchte keine Partei mehr mit ihr regieren, zu weiten Teilen nicht einmal mehr ihre eigene, die CDU. FDP-Chef Christian Lindner steht im Feuer der Kritik, weil er erst ein mögliches Bündnis aus Union, Grünen und FDP hat platzen lassen – und hinterher gesagt hat, es könne schon eine zweite Runde von Jamaika-Verhandlun­gen geben. Nach einer weiteren Wahl. Und ohne Merkel.

Zugleich lobt Lindner Leute wie Jens Spahn in der CDU. Es ist überhaupt interessan­t, wer im Moment wen lobt. Die CSU, namentlich Alexander Dobrindt, lobt zum Beispiel Andrea Nahles von der SPD. Und das obwohl oder eben gerade weil kaum jemand in der SPD die unverhande­l- baren Bedingunge­n der SPD für eine etwaige weitere große Koalition so hochtürmt wie die SPD-Fraktionsv­orsitzende.

Mit anderen Worten: Es ist ein Lobkartell derjenigen erkennbar, die sich eine politische Zukunft lieber ohne Angela Merkel vorstellen können. Die finden, dass ihr Politiksti­l an sein trauriges Ende gekommen ist. Die finden, dass sowohl die CDU als auch die FDP als auch die SPD einen zu hohen Preis bezahlt haben und weiter bezahlen sollen dafür, dass Merkel Kanzlerin bleibt.

Merkels politische Bilanz ist bescheiden. Ihre Kanzlersch­aft hinterläss­t keinen Fußabdruck wie es bei ihren unmittelba­ren Vorgängern der Fall war. Von Merkel wird bleiben, dass sie es geschafft hat, trotz meist schwacher Wahlergebn­isse immer weiter zu regieren. Oft auf Kosten des jeweiligen Koalitions­partners. Und nicht zuletzt auch der eigenen Partei.

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann ist derzeit eine informelle große Koalition aus den Herren Markus Söder, Christian Lindner, Jens Spahn und einigen namhaften Herrschaft­en der SPD vor allem daran interessie­rt, dass die Regentscha­ft Merkels zu Ende geht. Mit jedem Tag, den dieses neue Jahr älter wird, steigt daher die Wahrschein­lichkeit, dass es Merkels letztes ist als Kanzlerin.

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