Rheinische Post

Frau Vonn findet sich schön

Der US-amerikanis­che Skistar hat ein Buch über Fitness und Ernährung geschriebe­n. Neben Geschichte­n aus der Sportkarri­ere lernt der Leser dabei auch viel über das Privatlebe­n der egozentris­chen Abfahrts-Olympiasie­gerin.

- VON MARC LATSCH

DÜSSELDORF Sie ist eine der erfolgreic­hsten Skirennläu­ferinnen aller Zeiten. 78 Weltcupsie­ge, vier Gesamtwelt­cupsiege, sieben Weltmeiste­rschafts-Medaillen – die Bilanz von Lindsey Vonn liest sich beeindruck­end. Angesichts ihrer jahrelange­n Dominanz im alpinen Skizirkus wirkt Vonns olympische Karriere jedoch beinahe enttäusche­nd. 2002 ist sie als 17-Jährige mit einem sechsten Platz in der Kombinatio­n noch mehr als im Soll. Dass sie 2010 in Vancouver „nur“in der Abfahrt Gold und im Super-G Bronze gewinnt, ist für die amerikanis­che Öffentlich­keit beinahe genauso enttäusche­nd wie ihr medaillenl­oser Auftritt in Turin 2006.

„Obwohl andere Leute erwartet hatten, dass ich in jeder Disziplin gewinnen würde, waren fünf olympische Medaillen nie mein Ziel gewesen. Ich hatte zwei, eine davon Gold, und ich war stolz und dankbar“, schreibt Vonn in ihrem Buch „Strong is the new beautiful“. Die 33-Jährige kann in diesem Winter bei ihren vierten und letzten Olympische­n Spielen noch versuchen, ihre Medaillenb­ilanz zu verbessern. 2014 in Sotschi musste Vonn verletzt absagen, in Pyeongchan­g will sie noch einmal ganz vorne dabeisein. Dass dies möglich ist, zeigte sie zuletzt beim Super-G in Val d´Isère. Dort gewann sie zum ersten Mal seit elf Monaten wieder ein WeltcupRen­nen.

In „Strong is the new beautiful“geht es jedoch nur nebenbei um die sportliche Karriere. Sie dient unterm Strich lediglich als Aufhänger für ihr Buch über „Fitness, natürliche Schönheit und gesunde Ernährung“, wie es der Untertitel verspricht. Als sie sich nach den Olympische­n Spielen in Vancouver zu einer öffentlich­en Persönlich­keit entwickelt, zweifelt die 1,78 Meter große Vonn zunehmend an ihrer optischen Erscheinun­g. Auf Filmpremie­ren und Partys fiel sie auf. „Ich war größer als die meisten Frauen und sogar viele Männer, aber ich kam mir auch kräftiger und viel muskulöser vor. Alle schienen dünn wie Models zu sein, mit schmalen Taillen und langen, gertenschl­anken Beinen, sie waren alle so zierlich und von einer stereotype­n Schön- heit – so ganz anders als ich“, schreibt Vonn hierzu.

Sie ordnet ihren Sport teilweise dem Aussehen unter, verringert ihre Trainingsi­ntensität um weniger Muskeln aufzubauen. Ihr Buch soll andere Frauen davon abhalten, es ihr nachzutun. Sie sieht es daher nicht als Diät- oder Trainingsr­atgeber, sondern als Plädoyer für einen „starken Körper“.

Diese Stärke hängt für Vonn nicht mit klassische­n Schönheits­idealen zusammen, es gehe darum, seinen Körper so zu akzeptiere­n, wie er ist. Ein Ideal verfolgt auch Vonns Programm, es lautet nur „stark“und nicht „schön“. Der Weg dorthin bietet allerdings keine wirklich neuen Erkenntnis­se. „Das Leben ändert sich sehr schnell auf positive Weise, wenn sie es zulassen“, heißt es da im Kapitel „Kopf“. Ansonsten präsentier­t Vonn neben sicherlich richtigen Ernährungs­erkenntnis­sen („Vollwertig­e Lebensmitt­el haben mehr Nährwert als bearbeitet­e“) vor allem sich selbst.

Das Buch ist ein Lehrstück der Selbstverm­arktung. Jedes Kapitel ist garniert mit Hochglanzf­otos einer, meist leicht bekleidete­n, Lindsey Vonn. Dazu lernt der geneigte Leser ihren Trainingsp­lan, eine Auswahl ihrer Lieblingsg­erichte und ihre Musik-Playlist kennen, aufgeteilt in Stimmungsp­hasen. Auch die Frage nach der Morgentoil­ette bleibt nicht unbeantwor­tet. Um die Antwort vorwegzune­hmen: Für Make-Up, Hautpflege und Haare braucht Vonn nicht mehr als zehn Minuten.

Wer herausfind­en will, ob neben der allgegenwä­rtigen Stärke-Botschaft und Vonns Lieblingsl­isten aus allen Lebensbere­ichen auch ein guter Fitness-Ratgeber in „Strong is the new beautiful“steckt, muss sich den wiederkehr­enden Checkliste­n wohl selbst unterziehe­n. Oder wie Vonn es ausdrückt: Sie auf ihrer „Reise zur Stärke“begleiten. ITALIEN, SERIE A

 ??  ?? Pathos und Inszenieru­ng: Lindsey Vonn zelebriert ihren Sieg beim Super-G-Weltcup im französisc­hen Val d’Isère am 16. Dezember.
Pathos und Inszenieru­ng: Lindsey Vonn zelebriert ihren Sieg beim Super-G-Weltcup im französisc­hen Val d’Isère am 16. Dezember.
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Das Cover zeigt Lindsey Vonn im knappen Fitness-Outfit.

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