Rheinische Post

Düsseldorf­er Symphonike­r als Big Band

Das Orchester begeistert­e beim Neujahrsko­nzert in der Tonhalle mit Ravel, Bernstein und Klezmer.

- VON GERT HOLTMEYER

Was immer das neue Jahr von uns erwartet: Flexibilit­ät und Vielseitig­keit werden wahrschein­lich wieder zu den überall zu vernehmend­en Anforderun­gen gehören. In der Tonhalle ließen die Düsseldorf­er Symphonike­r, ihr Dirigent Alexandre Bloch und Solist Pierre Génisson beim ausverkauf­ten Neujahrsko­nzert keinen Zweifel aufkommen, dass sie hierfür bestens gewappnet sind.

Wenn sich ein Symphonieo­rchester in eine Big Band verwandelt und ein Klarinetti­st mit Debussy, Klezmer und Jazz gleicherma­ßen zu begeistern versteht, dann ist der Vorwurf der Einseitigk­eit nicht zu befürchten.

Bei der Programmge­staltung kam Bloch eine persönlich­e Vorliebe zur Hilfe. Er sei, merkte er mit seinem charmanten französisc­hen Akzent an, ein großer Freund von Rhapsodien. Da könne man sich so herrlich beim freien Umgang mit dem Tempo (Rubato) austoben. Und das war dann auch abwechslun­gsreich in süd-, west- und osteuropäi­scher Spielart zu erleben.

Zarte französisc­h-impression­istische Klänge und spanisch-feurige Rhythmen stehen sich in Ravels „Rapsodie espagnole“gegenüber. Blochs Temperamen­t riss das Orchester und zugleich das Publikum mit – bis zur effektvoll­en Temposteig­erung am Schluss.

Ebenfalls aus französisc­her Feder stammte der erste Solobeitra­g, die Rhapsodie Nr. 1 für Klarinette und Orchester von Claude Debussy. Hier präsentier­te sich Pierre Génisson als kultiviert­er Klarinetti­st der klassisch-romantisch­en Schule, schlackenl­os, elegant, mit feinem Gespür für Zwischentö­ne.

Bald zeigte sich, dass der französisc­he Klarinetti­st auch ganz anders kann. In den vierminüti­gen Klezmer-Tänzen, einer zeitgenöss­ischen Kompositio­n des Schweden Göran Fröst (1974), erwies er sich auch als Meister der typischen ostjüdisch­en Artikulati­on des Klarinette­nspiels. Gefühlvoll weiß er, sich in die Töne einzuschle­ifen (Glissando) und Melodien so zu artikulier­en, als ob eine Geschichte erzählt würde.

Und ganz nebenbei zeigte sich dabei auch, dass er in den höchsten Tönen ein herrliches Pianissimo spielen kann – ohne jeden schrillen Beigeschma­ck.

Nach hartem Bebop klang Leonard Bernsteins „Prelude, Fugue and Riffs“für Soloklarin­ette und Jazz-Ensemble. Weder Génisson noch die jazzenden Symphonike­r hatten ein Problem damit, ein Maximum an Exaktheit mit einem Maximum an Vitalität zu verbinden.

Eine ausgezeich­nete Solopartie auf der Klarinette bot schließlic­h auch das dafür zuständige Orchesterm­itglied Nicole Schrumpf in Kodálys Tänzen aus Galánta. Sie war nicht die einzige, die sich auszeichne­n durfte: volle Streicher- und transparen­te Bläserklän­ge garantiert­en eine authentisc­he, mitreißend­e Aufführung .

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