Rheinische Post

Götterfunk­en im Silvesterk­onzert

- VON WOLFRAM GOERTZ

Jahr für Jahr führt der Kölner Dirigent Christoph Spering zu Silvester Beethovens Neunte in der Tonhalle auf, und Jahr für Jahr überlegen wir vorher für Sekunden, ob wir nicht unsere Rezension vom Vorjahr umkopieren und nur ein wenig aktualisie­ren sollen. Tun wir natürlich nie.

Denn stets aufs Neue erleben wir, wie viel Mühe Spering sich gibt; wie er nichts dem Zufall überlässt; wie er Entdeckung­en macht; wie er das Konfliktpo­tenzial der Musik auslotet; wie er seine beiden feinen Ensembles, den Chorus Musicus und das Neue Orchester, den Götterfunk­en auf die Erde holen lässt. Sie zünden ihre Aggregate und feuern sie in festgelegt­en Entladungs­stufen ab. Doch es wird nicht nur geböllert (zwischendu­rch war die Aufführung ein Paukenkonz­ert), sondern auch andächtig musiziert.

Staunen dürfen wir wieder oft, zumal über Beethoven, hinter dessen zukunftswe­isende Größe Spering bescheiden zurücktrit­t. Der Chor leuchtet imposant; das Orchester (mit einem Kontrafago­tt von der Höhe einer Verkehrsam­pel) mobilisier­t die letzten Reserven, und das Solistenqu­artett (Yeree Suh, Charlotte Quadt, Corby Welch, Daniel Ochoa) hinterläss­t einen sehr guten, unangestre­ngten Eindruck.

Am Ende großer Beifall. Wie es sich für eine rituelle Übung wie diese gehört, werden wir etliche Hörer dieses Abends an Ort und Stelle in genau 364 Tagen wiedersehe­n.

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