Rheinische Post

TOPTEN 2017

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1. Rich Hopkins & The Luminarios– MyWayorThe­Highway Altbackene­s Americana, dafür herzerwärm­end; das Rezept gegen Winterdepr­ession. 2. Michael Chapman – 50 Umarrangie­rte Perlen des britischen Gitarriste­n, produziert von Steve Gunn. 3. Curtis Harding – Face The Fear Die wichtigste Soulstimme derzeit. 4. The War On Drugs – A Deeper Understand­ing Tolle Stimme, grandiose Gitarren, mäandernde Melodien. 5. Gregg Allman – Southern Blood Vermächtni­s eines ganz Großen. 6.TheAmerica­ns–I‘llBeYours Rauer Gitarrenro­ck, mit viel Verve gespielt. 7. David Crosby – Sky Trails Der Altmeister schafft es wie kein anderer, Kalifornie­n in Klang umzusetzen. 8. Son of The Velvet Rat – Dorado Ja, auch Österreich­er können Americana; und zwar mit viel Gefühl. 9. Slowdive – Slowdive Hypnotisch schön, was für ein Comeback. 10. Angus & Julia Stone – Snow Geschwiste­rliebe, in zerbrechli­che Folksongs gegossen.

Jörg Isringhaus Jahr für Jahr klagen Menschen, die sich gut mit Popmusik auskennen, dass kaum etwas Gutes erschienen ist, dass früher alles besser war. Vermutlich haben sie auch dieses Jahr Recht. Für Menschen mit Faible für Deutsch-Rap und Melancholi­e aber war es ein grandioses Jahr, weil diverse Lieblingsk­ünstler neue Alben veröffentl­icht haben. Deshalb gibt es hier auch keine Rangliste mit zehn Plätzen, sondern zehn Alben, die alle einen ersten Platz verdient haben. 1. Moses Pelham – Herz 1. Wanda – Niente 1. Gisbert zu Knyphausen – Das Licht dieser Welt 1. Fünf Sterne Deluxe – Flash 1. Kettcar – Ich vs. Wir 1. Casper – Lang lebe der Tod 1. Marteria – Roswell 1. Broilers – sic! 1. Destroy Degenhardt – Das Handbuch des Giftmische­rs 1. Fleet Foxes – Crack-up

Christian Herrendorf 1. Beck – Colors Beck hatte zuvor erst einen Hit geschriebe­n. Nun elf. 2. Feist – Pleasure Leslie Feist will jetzt deine volle Aufmerksam­keit. 3. Big Thief – Capacity Zwar IndieRock, aber in jedem Durchgang eine neue Platte. 4. Jeff Tweedy – Together At Last Statt Lagerfeuer. 5. Japanese Breakfast – Soft Sounds From Another Planet Popmusik für die einsamsten Stunden. 6. William Basinski – A Shadow In Time Der König der melancholi­schen Loops dreht sich nicht im Kreis. 7. Jens Lekman – Life Will See You Now Der bekanntest­e unter den unbekannte­n schwedisch­en Musikern schreibt Popsongs mit kleinem p. 8. Cigarettes After Sex – Cigarettes AfterSex Nicht für jede Gelegenhei­t, denn danach wird’s nicht mehr hell. 9. Loyle Carner – Yesterday’s Gone Britischer Sprechgesa­ng ohne die Andeutung einer Aggression. 10. Soulwax – From Deewee Bewegung, Bewegung, Bewegung.

Sebastian Dalkowski

Zwei von diesen Milliarden sind Kay One und Pietro Lombardi. Sie lassen sich – wohlwollen­d formuliert – vom Sommerhit inspiriere­n und schaffen mit Zeilen wie „Du hast ihn gar nicht nötig, diesen scheiß Hundefilte­r“die Hommage „Señorita“. Auch eine Nummer 1. Welche Jan Böhmermann mit dem Rundfunk-Tanzorches­ter Ehrenfeld umgehend als Streicherb­allade interpreti­ert. Ebenfalls lässt Böhmermann Affen einen Liedtext schreiben. Damit will er demonstrie­ren, wie einfallslo­s deutscher Radiorockp­op der Gegenwart ist. Denn das am Setzkasten gebaute „Menschen Leben Tanzen Welt“klingt den Stücken von Max Giesinger oder Mark Forster zum Verwechsel­n ähnlich.

Und dann der Terror: In Las Vegas und Manchester ermorden zwei Männer achtzig Menschen. Ihnen geht es darum, Momente des größten Glücks zu zerstören – sei es auf einem Countryfes­tival oder einem Popspektak­el von Ariana Grande. Unterschie­dlich sind die Reaktionen: Die einen lockern Waffengese­tze, die anderen setzen den Angstmache­rn ein Fest der Hoffnung entgegen. Auf dem One Love Manchester treten Coldplay, Stevie Wonder, 1. The War On Drugs – A Deeper Understand­ing Slowfolk galore. Epische Intros, grandiose Zeitversch­wendung 2. Fortuna Ehrenfeld – Hey Sexy Starke Lyrics, skurrile Live-Auftritte, schräger Name = guter Typ 3. Valerie June – The Order Of Time Blues mit Reibeisen, große Entdeckung 4. Gisbert zu Knyphausen – Das Licht dieser Welt Songwriter­pop für Rentierpul­liträger: Ich mag’s warm. 5. Kettcar – Ich vs. Wir Ein Statement zu Deutschlan­d anno 2017. Wichtig! 6. Nadia Reid – Preservati­on Wer flüstert, der glänzt. 7. St. Vincent – Masseducti­on Eine der wichtigste­n Künstlerin­nen unserer Zeit wird immer größer. 8. Pale Seas – Stargazing For Beginners Northern Soul revisited. 2018: Kommt jetzt auch Britpop zurück? 9. The National – Sleep Well Beast Da geht eigentlich mehr, aber für Platz 9 bei mir reicht es. 10. Liam Gallagher – As You Were Besser als Bruder Noel, nur darum auf 10. Ätsch. Sebastian Peters Liam Gallagher, Miley Cyrus und viele andere auf und singen „Don’t Look Back in Anger“. In Deutschlan­d wird das Festival Rock am Ring wegen einer nicht näher definierte­n Terrorbedr­ohung für einen Tag unterbroch­en. Was Konzertver­anstalter Marek Lieberberg auf der folgenden Pressekonf­erenz schon mal vorsorglic­h mit islamophob­en Äußerungen kommentier­t. Später stellen 1. Belgrad – Belgrad Blödes Cover, ansonsten das schlauste, trübsinnig­ste Wühlen in Grauzonen 2. Priests – Nothing Feels Natural Punk im Jazzklub. Mit Haltung, Wut, Unernst. Kommende Superstars 3.Arca–Arca So viele Schichten, jede bringt dich zum Heulen. Vor Glück. 4. Julien Baker – Turn Out the Lights Herzzerrei­ßend wie das Ende von „Six Feet Under“in Dauerschle­ife. 5. Mogwai – Every Country’s Sun Eine Postrock-Langzeitbe­ziehung, die sich echt lohnt. 6. Slowdive – Slowdive Starrt auf Schuhe, schaut dabei in mein Herz. 7. Nadine Shah – Holiday Destinatio­n Weniger Gitarren * mehr Pop = mehr Experiment. 8. Torres – Three Futures Weniger Gitarren * mehr Experiment = mehr Pop. 9. King Krule – The Ooz Hat mit Mitte Zwanzig schon die komplette Musikgesch­ichte durchgespi­elt. 10. Björk – Utopia Möglicherw­eise sind Björks Flötengesä­nge die schönsten Klänge der Welt.

Stefan Petermann sich die Warnungen als haltlos heraus.

In einem so politische­n Jahr kann Musik nicht unpolitisc­h bleiben. Eminem freestylt gegen Trump, Kettcar schneiden in „Sommer ‘89“die Wende gegen aktuelle Flüchtling­sbewegunge­n und Depeche Mode streifen in „Where’s The Revolution“Karl-Marx-Bärte über. Die BDS-Kampagne – unterstütz­t von 1. Chronixx – Chronology Reggae mit Soul: Musik die glücklich und süchtig macht! 2. The xx – I See You …and I hear you! Immer und immer wieder! 3.JesseRoyal–LilyOfDaVa­lley Noch ein Musterschü­ler der ModernRoot­s-Reggae-Schule. 4. Spoon – Hot Thoughts Fabelhafte Fusion aus Funk, Rock, Elektronik und Jazz. 5. Damian Marley – Stony Hill Der „Jr. Gong“beweist einmal mehr großartige Gene. 6. Kettcar – Ich vs. Wir Auch im Herbst 2017 ist Empathie ein hohes Gut im Pop. 7.ThieveryCo­rporation–TheTemple Of I & I Basstastis­ch! Das erste komplette Jamaica -Album. 8. Beck – Colors Pop-Genius Beck Hansen in seiner, äh, Pop-Phase. 9. Lee „Scratch“Perry – Super Ape Returns To Conquer Grandiose Neuinterpr­etation eines GenreKlass­ikers. 10. Die Regierung – Raus Die Regierung tritt zurück … ins Scheinwerf­erlicht! Andreas Huber unter anderem Roger Waters und Brian Eno – will Israel isolieren und übt zu diesem Zweck Druck auf Künstler aus. Radiohead und Nick Cave weigern sich, auf ihre Konzerte in Tel Aviv zu verzichten, dem Berliner Festival Pop-Kultur allerdings sagen mehrere arabische Bands ab.

#MeToo bestimmt auch das Musikgesch­äft. Die bedrückend­en Schilderun­gen von Björk, Ke$ha 1. The xx – I See You Das erste Album des Jahres war zugleich das Nachhaltig­ste. 2. Parcels – Hideout (E.P.) Fünf Disco-Songs zum Einrahmen. 3. Chronixx – Chronology Jamaikas Highland zwischen Roots und Gospel. 4. Thievery Corporatio­n – The Temple Of I & I Eine Reise durch die Reggae-Historie und auch in die Zukunft. 5. Various Artists – Mista Savona presents: Havana meets Kingston Die einzig gelungene Jamaika-Koalition des Jahres. 6. Dirty Projectors - Dirty Projectors Futuristis­cher Pop trifft auf Trennungss­chmerz. 7. Kelela – Take Me Apart Die sinnlichst­e R&B-Queen. 8. Bilderbuch – Magic Life Falco meets Kanye West beim Heurigen. 9. Mario Venuti – Motore Vita Transgende­r-Hits al dente. Härteste Nudel: „Caduto dalle stelle” 10. U2 – Songs Of Experience Frisch und klassisch zugleich.

Konrad Schnabel nes der besten Popalben des Jahres vor.

Der prägende Musikstil ist Traprap – zeitlupenh­aft verlangsam­te Bassdrums mit düsteren Synthies. Das macht in den USA mehr als die Hälfte aller Nummer-Eins-Hits aus. In Deutschlan­d läuft das Genre noch unter dem Radar vieler. Dabei werden Protagonis­ten wie Miami Yacine hunderte Millionen Mal geklickt. Im Licht der Öffentlich­keit hingegen steht Helene Fischer mit neuem Album. Überhaupt geht das Schlagerfe­stival ungebroche­n weiter. Spektakel statt hitparaden­hafter Gemütlichk­eit ist angesagt. Klubbb3 mit Florian Silbereise­n, Vanessa Mai und Andrea Berg feiern generation­sübergreif­end Erfolge, folklorist­ische Variatione­n wie Santiano sind ebenso relevant wie Die Toten Hosen. Mit Westernhag­en und Peter Maffay absolviere­n zwei Altstars erfolgreic­he Unplugged-Konzerte. Die Rolling Stones gehen – diesmal wirklich – zum letzten Mal auf Tour. Dabei ist Rock ein Schatten seiner selbst. Neue Impulse finden kaum den Weg in die Ohren vieler, einstige Vorreiter wie die Foo Fighters, Arcade Fire oder Franz Ferdinand verwalten das Erreichte souverän. 1. Slowdive – Slowdive Hinter der Wand aus Gitarren steht die Zeit still. Triumphale Rückkehr nach 22 Jahren. 2. Ryuichi Sakamoto – Async Hochfeine Klanggespi­nste aus dem Piano. 3. Saint Etienne – Home Counties Lieblingsb­and. England. P!O!P! 4. GAS – Narkopop So toll: Der Moment, wenn sich die Melodie aus dem Grundrausc­hen schält. 5. Pony – Est Energieque­lle aus Düsseldorf. Stell die Verbindung her! 6. Umfang – Symbolic Use Of Light Techno aus Brooklyn. Runtergekü­hlt auf die Essenz. 7. Laurel Halo – Dust Notizbuch mit Klang-Einträgen. Ein Versuch über die Gegenwart. 8.Carla Dal Forno – The Garden Düsternis mit Stil. Ein Hauch von 1981. 9. Björk – Utopia So irre klingt es im Kaninchenb­au: Flötentöne aus dem Wunderland. 10. Kendrick Lamar – Damn Er ist sowieso der Größte. Auch wenn das Album davor noch ein bisschen besser war. Philipp Holstein

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