Rheinische Post

„Es ist Aufgabe der Eltern, ihren Kindern vorzulesen“

Die beiden Gründerinn­en des Düsseldorf­er „Mentor“-Vereins über Erfolge und die Grenzen dessen, was Lesepaten leisten können.

-

Wie kamen Sie dazu, einen Verein für die Lesekompet­enz von Kindern zu gründen? War es Ihr Beruf? CARLA MEURER Nein, ich bin eigentlich Grafikerin und Fotografin und kümmere mich deshalb auch viel um unsere Hefte, Flyer und Plakate. Mal ehrlich – wer will schon einen Verein gründen? Die Mentor-Idee aus Hannover hat uns aber direkt überzeugt und nicht mehr losgelasse­n. Es ist so wichtig, dass Kinder einen guten Zugang zu Büchern bekommen und ein tolles Ehrenamt. CARMEN WINTERBERG Wir beide haben eine so gute Position im Leben, wir hatten einfach etwas abzugeben. Was führt dazu, dass die Kinder Leseschwäc­hen haben? WINTERBERG Nicht immer hat die Schule schuld. Ein Lehrer hat keine Zeit, sich eine Stunde um nur ein Kind zu kümmern und ihm vorzulesen. Das ist eigentlich die Aufgabe der Eltern. MEURER Bevor wir mit dem Leseprojek­t angefangen haben, konnten wir uns kaum vorstellen, dass Kinder es nicht mögen, sich mit Büchern zu befassen.... WINTERBERG . . . oder es nicht kennen! Einige haben auch schlechte Erfahrunge­n in der Schule gemacht, wurden gehänselt, weil sie nicht richtig lesen konnten. Ich habe es immer geliebt, weil meine Eltern mir vorgelesen haben. In manchen Familien ist es auch kulturbedi­ngt so, dass mehr Wert auf mündliches Erzählen als auf Lesen gelegt wird. Trifft das besonders auf Flüchtling­sfamilien zu? MEURER Nicht unbedingt. Ich schätze, dass etwa jedes zehnte Kind bei uns einen Fluchthint­ergrund hat. Obwohl diese Kinder ein großes Defizit haben, was die Sprache angeht, so machen sie dies meist durch ihre Motivation wett. Was motiviert Sie dazu, auch nach sieben Jah- ren weiterzuma­chen? WINTERBERG Es gibt natürlich Aufgaben, die mir keinen Spaß machen. Dazu gehört es, sich um die Finanzen zu kümmern und Anträge auf Fördermitt­el auszufülle­n. Ich finde es aber toll, mit Menschen über das Projekt zu sprechen, sie davon zu überzeugen. MEURER Wenn ich das Gefühl habe, zu viel Zeit im Büro zu verbringen, kann ich beliebig ein Lesepaar besuchen, und das zieht mich dann wieder hoch. Mich motiviert auch die große Unterstütz­ung, die wir aus allen möglichen Richtungen in Düsseldorf bekommen. Wie finanziert sich Ihre Arbeit? WINTERBERG Durch Spenden von Privatpers­onen, unseren Ehrenamtle­rn und Fördermitt­el von Stiftungen. Unsere Lesestunde­n sollen nichts kosten. Welche Bücher sind bei den Kindern gerade gefragt? MEURER Das ändert sich ständig. Dauerbrenn­er sind Harry Potter, aber auch ,Ronja Räubertoch­ter‘ und Bücher von ,Petterson und Findus‘. Älteren Kindern oder Jugendlich­en, denen Lesegrundk­enntnisse fehlen, empfehlen wir für die Lesestunde­n auch die skurrilen Bilder

bücher von Tomi Ungerer. Wie bauen Lesepaten die Abneigunge­n der Kinder gegen das Lesen ab? WINTERBERG Indem sie mit ihnen zusammen Bücher aussuchen, deren Inhalt sie ganz speziell interessie­rt. Dann bekommt man die Kinder zum Lesen, und sie können sich fallen lassen und lernen, dass Bücher sogar trösten können. MEURER Es muss auch nicht immer nur gelesen werden. In den Stunden ist immer auch Zeit für Spiel, Spaß und Gespräche. Wir geben keine Nachhilfe, sondern wollen eine positive Haltung zu Büchern und zum Lesen bewirken. Mentoren sind keine Pädagogen, aber sie können ein Vorbild sein. Wer gibt bei Ihnen die Lesestunde­n? WINTERBERG Unter unseren Mentoren sind Rentner, Studenten, Selbststän­dige und Angestellt­e. Es gibt immer mehr Bedarf, als wir decken können. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Lesepaten. MEURER Früher haben wir uns den Schulen angeboten, heute kommen sie auf uns zu und fragen, ob wir bestimmte Schüler unterstütz­en können. Den Ausschlag, ob ein Kind zu uns kommt, muss immer von den Lehrern kommen, in Absprache mit den Eltern.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany