Der König der Löwen
Frank Thelen wurde durch die TV-Show „Die Höhle der Löwen“zum Star der Gründerszene. Nun will er hoch hinaus.
BONN Frank Thelen steht auf der Bühne und spricht über seine Erfolge, aber innerlich kocht er. Immer wieder blickt er zum Bühnenrand, wo hektisch versucht wird, Thelens vorbereitete Präsentation ans Laufen zu kriegen. Doch es dauert – und man möchte nicht in der Haut desjenigen stecken, der es verbockt hat. Der Startup-Investor pflegt eine ziemlich direkte Art der Kommunikation. No bullshit, nennt er das.
Millionen Zuschauer erlebten das zuletzt auch wöchentlich bei Vox, wo Thelen in der Gründershow „Die Höhle der Löwen“mit anderen Investoren um Firmenanteile von Start-ups buhlte. Auch da spricht er mit den Gründern häufig Klartext. „in einem harten Viertel, wo nur Sportlehrer Pausenaufsicht machen durften und auch Waffen gehandelt wurden“. Der früher nur Skateboard fuhr, bei einem Praktikum seine Leidenschaft für Technik entdeckte, ein Start-up gründete, 1,4 Millionen Mark Wagniskapital bekam, sich eine weitere Million lieh – und alles verlor, als die Firma pleite ging.
Mit Mitte 20 stand Thelen mit mehr als einer Million Mark Schulden da. Ihm drohte die Privatinsolvenz, vor lauter Stress bekam er häufig Nasenbluten. Er verhandelte mit der Bank, schloss einen Vergleich – und zahlte bis vor wenigen Jahren monatlich 500 Euro ab.
Nach der Pleite war es eine OnlinePlattform für Fotos, die er 2008 an Fujifilm verkaufte, die ihn zum Mul- timillionär machte. Und nun soll es Lilium Aviation sein, das Thelens Karriere auf das nächste Level hebt.
Er hat früh in das Start-up aus der Nähe von München investiert, das ein Flugzeug baut, das senkrecht wie ein Helikopter aufsteigen und dann fliegen kann. „Wir wollen Verkehrsprobleme lösen“, sagt er. Der Liliumjet solle mittelfristig eine Alternative zum Auto sein. Zuletzt konnte das Start-up 90 Millionen Dollar Kapital einsammeln, unter anderem vom chinesischen Konzern Tencent.
Es sind Deals nach Thelens Geschmack: Früh mit eigenem Geld und großem Risiko einsteigen, aber dafür auch hohe Gewinne einstreichen, wenn die Wette aufgeht. Für 15 bis 20 Prozent der Anteile bekommen Start-ups nicht nur sein Geld, sondern Zugriff auf sein Netzwerk.
Doch inzwischen wirbt er auch für Suppen, Eiscreme oder Kräutermischungen. Es sind Investments aus „Die Höhle der Löwen“. 2018 will er mit den Food-Start-ups 100 Millionen Euro Umsatz machen. „Die Food-Start-ups sind unsere stabile Basis und mit unseren Tech-Startups versuchen wir, bedeutende Tech-Player in Europa aufzubauen.“
Es ist eine Gratwanderung, bei der der 42-Jährige aufpassen muss, dass er nicht zum Maskottchen wird. Zwar sagte er mal, dass er nicht der Dieter Bohlen des Gründertums werden wolle, doch gleichzeitig setzt Thelen viel daran, seine Medienpräsenz deutlich zu erhöhen.
Im Gespräch erwähnt er häufig, wen er inzwischen alles getroffen hat, dass er praktisch alle Minister kennt und die Bundeskanzlerin sowieso („eine kluge Frau mit unglaublicher Energie“), auch wenn er sie nicht berate. Auch Christian Lindner und Thelen kennen sich gut, der FDP-Chef fragte den Bonner Investor zuletzt, ob er für die Partei den Bundespräsidenten mitwählen wolle.
Eigentlich sei er nie ein politischer Mensch gewesen, auch wenn er in der Vergangenheit Mitglied der CDU war und nun öffentlich mehrfach die FDP unterstützt hat. Doch nach dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten habe er sich gedacht: „Scheiße, Frank, du würdest gerne mit dem Kram nichts zu tun haben, aber du kannst dich da nicht mehr raushalten. Du bist eine Person der Öffentlichkeit und wenn du nicht sagst, eine Linke oder eine AfD darf man nicht wählen, wer soll es sonst tun?“
Politiker wolle er aber noch nicht werden, ihm würde die Geduld fehlen, um in diesen ganzen Gremien zu sitzen, sagt Thelen, nur um dann hinterherzuschieben: „Aber könnte ich mir vorstellen, in zehn Jahren mal Minister zu sein? Vielleicht.“
Thelen denkt gerne groß, passenderweise hat er seine neue Investment-Gesellschaft Freigeist genannt – und wenn seine Frau, eine Bonner Kieferorthopädin, anruft, ertönt Beethovens 5., die Schicksalssymphonie.
Das Freigeist-Hauptquartier liegt in einem Bonner Gewerbegebiet am Rhein. Auf einem Regal in seinem Büro steht ein Porträt von Steve Jobs. Er ist für Thelen ein Vorbild, aber dass er genau wie der legendäre Apple-Chef auf bestimmte Kleidungsstücke bei öffentlichen Auftritten setze, bestreitet er lachend. Jobs hatte immer einen schwarzen Rollkragenpullover zu Jeans und Turnschuhen getragen, bei Thelen ist es oft ein schwarzes Hemd zu Jeans und Turnschuhen. Er trägt es bei Auftritten, beim CSU-Treffen, und auch damals in Köln.
Bei der StartupCon beantwortet er ein paar Minuten nach dem Präsentations-Fauxpas Fragen aus dem Publikum. Jeder solle seine Chance ergreifen, auch wenn es um das eigene Unternehmen geht, sagt Thelen. Eine Frau steht auf und sagt, sie und ihre Mitgründer hätten eine großartige Idee, und würden gerne fünf Minuten seiner Zeit haben.
Eigentlich hat Thelen keine Zeit für sowas, er bekommt täglich Post von Gründern, die ihm irgendwas zeigen wollen – und löscht alles rigoros. „Der Nachteil von ,Die Höhle der Löwen’ ist, dass jetzt jeder, der ein Nagelstudio hat, denkt, er könnte daraus ein Millionen-Ding bauen“, sagt er. Aber diesmal, hier in der LanxessArena, lächelt er: „Sehr gut, weil ich es so gesagt habe, hast du gleich fünf Minuten.“Das ist die andere Seite von Frank Thelen. Er steht zu seinem Wort. No bullshit.