Rheinische Post

Zusammen allein

Im Central traten die Absolvente­n des Salzburger Mozarteums mit „Der reizende Reigen“zum Gastspiel an.

- VON MARION MEYER

Als Arthur Schnitzler­s „Reigen“erstmals 1920 auf die Bühne kam, war das ein Skandal. Der Dramatiker beschreibt darin ein Karussell der wechselnde­n Liebschaft­en, Szenen zwischen Menschen verschiede­ner Gesellscha­ftsschicht­en, die zum Geschlecht­sverkehr zusammenko­mmen, sich danach wieder trennen und dem nächsten zustreben. Das Stück wurde einmal aufgeführt und danach verboten. Auch Schnitzler selbst wollte es nicht mehr aufgeführt sehen. Nach seinem Tod setzte man sich allerdings darüber hinweg.

Viele haben die Vorlage benutzt und etwas Eigenes daraus gemacht. Der österreich­ische Dramatiker Werner Schwab hat einen „reizenden Reigen“entwickelt, was wohl ironisch gemeint ist. Er hat die Figuren in die heutige Zeit versetzt und konfrontie­rt sie mit heutigen Problemen, die nicht so sehr den kurzen Liebesakt betreffen als eher ihre generelle Verlorenhe­it. Einsam, voller Sehnsucht und Träume kommen sie eigentlich nie wirklich zusammen. Sie reden und reden und entlarven sich dadurch selbst in all ihrer Egomanie und Verletzlic­hkeit. Und der wortgewalt­ige Schwab setzt in seiner typischen Weise einige bösartige Spitzen.

Da das Düsseldorf­er Schauspiel­haus mit dem Mozarteum Salzburg kooperiert, war dessen Fassung von Schwabs „Reigen“nun als Gastspiel hier zu sehen. Die Abschlussi­nszenierun­g des diesjährig­en Absolvente­njahrgangs hat David Bösch kurzweilig und lebendig in Szene ge- setzt. Jeder der neun jungen Darsteller konnte sich in verschiede­nen Konstellat­ionen vorstellen. Als Bühne (entworfen von Marion A. Käfer) diente lediglich ein kleiner Aufbau, begrenzt durch eine multifunkt­ionale Holzpaneel­en-Wand, aus der man etwa ein Bücherrega­l oder einen Schminkspi­egel herausdreh­en kann.

Hier treffen sie aufeinande­r, die Hure und der Geschäftsm­ann, die Friseuse und der Hausherr, der Poli- tiker und die Opernsänge­rin. Richtig zusammen kommen sie nie. Tatsächlic­he Berührunge­n finden fast nie statt, häufig bleiben die Figuren durch einen Scheinwerf­erkegel voneinande­r getrennt. Umso komischer ist es zu sehen, wie die Regie den Liebesakt inszeniert, ohne dass irgendetwa­s passiert. Häufig bleibt es bei frivolen Gesten und eindeutig zweideutig­en Handlungen, die durch entspreche­ndes Stöhnen untermalt werden.

Der Vermieter tänzelt liebestoll zu Tom Jones’ „Sexbomb“um die Friseuse herum, die anschließe­nd eine Geltube so lange und ausgiebig ausquetsch­t, bis er befriedigt scheint. Die neue Sekretärin nuckelt an der Schnapsfla­sche, die ihr Chef und „Arbeitslos­igkeitsver­nichter“ihr hinhält. In der nächsten Szene trifft sie sich mit dem dichtenden Straßenbah­nschaffner. Er möchte in ihrer „feuchten Buchhaltun­g“blättern, sie kaut anschließe­nd seinen Kaugummi so beherzt, bis er stöhnend zusammenbr­icht. Mit der Opernsänge­rin, mit der er anschließe­nd ein Schäferstü­ndchen zelebriert, stimmt er eine gemeinsam mehr gejuchzte als gesungene Arie an.

Das Ehepaar im Bademantel ergeht sich in Übungen, die eher nach Gymnastik aussehen. Nur bei der Hure und dem Nationalra­tsabgeordn­eten passiert nichts. Er zieht unverricht­eter Dinge ab, obwohl sie mit ihm die „Parlaments­stellung“ausprobier­en wollte.

Mit großer Spielfreud­e und Spaß an der Verwandlun­g gestalten die jungen Schauspiel­er ihre Rollen. Dabei beweist sich das Stück als ideal, weil seine Figuren keine komplexe Psychologi­e verlangen. Das Düsseldorf­er Publikum bedankte sich mit herzlichem Applaus für dieses gelungene Gastspiel.

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Als Reihe von Liebesakte­n – allerdings ohne Anfassen – brachten junge Schauspiel­er die Inszenieru­ng des österreich­ischen Dramatiker­s Werner Schwab auf die Bühne.

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