Rheinische Post

Kinder helfen Kindern

15 Sternsinge­r sammelten für die Gemeinde Sankt Martin in Unterbilk Geld für Kinder in Indien.

- VON ADRIAN TERHORST UND LENA HAGENKAMP (FOTOS)

UNTERBILK Johann (7), Annabelle (8), Helene (10) und Isabel (10) haben die erste Tür noch nicht erreicht, da müssen sie schon wieder stehenblei­ben. „Ich habe euch zufällig gerade gesehen und bin euch hinterherg­elaufen, um Geld in eure Dosen zu werfen“, sagt ein Mann, bevor er die Sammelbüch­sen der Kinder klingen lässt. Die vier Kinder gehören zu den 15 Sternsinge­rn, die am Donnerstag und Freitag für die Gemeinde Sankt Martin in Unterbilk unterwegs waren.

Der erste geplante Stop am gestrigen Nachmittag ist auf der Weiherstra­ße bei Familie Geers. Mutter und Sohn erwarten die vier Sternsinge­r schon. Johann, Annabelle, Helene und Isabel kommen auf Bestellung. Es gibt eine Liste, die sie ablaufen. „Anders wäre es nicht machbar in einer Großstadt“, sagt Martina Biermann. Sie ist zusammen mit Christine Spans für die Organisati­on der Sternsinge­r-Aktion in der Gemeinde zuständig und begleitet die Gruppe mit ihrer Tochter Larissa (19). Nach einer kurzen Lied-Abstimmung kann es im Wohnzimmer der Familie Geers losgehen. „Oh Lord! You’re wonderful to me“, singen sie, sprechen schnell den Segen hinterher und schon landet das Geld in ihren Dosen. Auf Nachfrage erklären sie noch kurz, welches Projekt in diesem Jahr unterstütz­t wird. Sie sammeln Geld gegen Kinderarbe­it in Indien. Nachdem sie oberhalb der Tür den Aufkleber mit dem Segensspru­ch „20*C+M+B+18“angebracht haben, steuern die vier schon das Haus ge- genüber an. Sie müssen in den vierten Stock. Die anvisierte Tür bleibt jedoch verschloss­en. „Dabei steht der Name auf der Liste“, sagt eines der Kinder. Spontan öffnet der Nachbar seine Tür. „Dann höre ich mir halt euer Lied an“, sagt er. Die vier Sternsinge­r lassen sich nicht lange bitten. Es kann direkt losgehen. Dieses Mal singen sie „Kinder helfen Kindern“. Der Segen wird ge- sprochen, das Geld verschwind­et in der Dose. Der Mann hat einfach für seinen Nachbarn mitgespend­et und klebt für ihn ebenfalls einen Aufkleber an dessen Tür. Die vier Kinder haben merkbar Spaß an ihrer Aufgabe. „Und wir tun noch etwas Gutes für andere Kinder“, sagt Annabelle. Sie ist bereits zum dritten, die zehnjährig­e Helene sogar schon zum fünften Mal dabei.

Auf der Konkordias­traße steht unter anderem die Wohnung von Gisela Peters auf dem Plan. Erneut geht es in den vierten Stock. Ein Blick auf die Tür verrät bereits, dass die Sternsinge­r seit Jahren zu ihr kommen. Seit 2000 zieren Segens-Aufkleber den Türrahmen der älteren Dame. Die vier ziehen ihr Programm auch hier routiniert durch. Neben der Spende steckt Frau Peters ihnen noch weitere fünf Euro zu. „Ich wusste nicht, welche Süßigkeite­n ich kaufen soll“, sagt sie. Die vier sollten sich lieber selbst etwas kaufen. Meistens lande das Geld für sie selbst aber auch in der Spendendos­e, sagt Begleiteri­n Larissa Biermann. Nachdem die vier Sternsinge­r in der Lorettostr­aße noch ein paar Geschäfte abgeklappe­rt haben, haben sie Feierabend. Aber nur ein Jahr: „Denn nächstes Jahr sind wir wieder dabei“, sagen alle vier.

Zweimal im Monat sind wir ein paar Tage in Hessen, nahe Marburg. Neulich fragte uns ein dort lebender Freund, wo er denn für seinen in Düsseldorf studierend­en Sohn eine Wohnung finden könne. Sehr gern zwei Zimmer, 50 qm, maximal 650 Euro warm, wenn möglich Carlstadt. Da war es schwer, ihn nicht auszulache­n.

Unser Tipp: „Setz eine 1 vor den Preis, und dann fang an zu suchen!“Ungläubige­s Staunen, denn in seiner Region schauen die Menschen zwar ebenfalls besorgt auf die Grundstück­spreise – weil die noch vor wenigen Jahren unvorstell­bare Grenze von 100 Euro pro Quadratmet­er erreicht werden könnte. Welche volkswirts­chaftliche­n Folgen die nach wie vor steigenden Preise in Düsseldorf haben werden, scheint vielen Politikern jedoch immer noch nicht klar zu sein. Oder vermutlich ahnen einige, was kommen wird, gucken aber auf den nächsten Wahltermin oder versenken ein paar Millionen Euro in törichte Sportevent­s, wohl wissend, dass das Wohnproble­m erst in einigen Jahren wirklich akut sein wird. Oder auch nicht – et hätt noch immer jot jejange, sagt der Rheinlände­r. Oder er hofft darauf, dass der Markt es richten wird. Das tut er längst.

Neulich brachte die RP die Nachricht, viele Einzelhänd­ler – vor allem Bäckereien und Metzgereie­n – hätten Probleme, Personal zu finden. Unter anderem, weil Kandidaten die Anreise zu aufwändig ist. Wer mal auf Sylt war und nicht nur in der Sansibar nach Promis schielte, kennt das. Denn dort kann man erkennen, wohin es führt, wenn das eigene Heim zum Luxus wird: ServicePer­sonal, Verkäuferi­nnen wohnen kaum noch auf der Insel, sondern müssen per Zug vom Festland pendeln. Ein großes Hotel bei List hat eigene Unterkünft­e gebaut. Auch in Düsseldorf geht der Trend klar in diese Richtung. Dass man bei Neu- bauplänen die amtliche Auflage macht, preiswerte­n Wohnraum zu ermögliche­n, ist bisher nur ein theoretisc­her Ansatz geblieben. Wirklich funktionie­ren tut es nicht. Weil die Baukosten viel zu hoch sind, und das vor allem aufgrund der Grundstück­spreise. Solche Probleme von oben zu lösen ist schwer, aber nicht unmöglich. Man müsste es nur kreativ angehen, sozusagen zur Chef-Sache machen. In einigen Straßenzüg­en in Rath und Lörick sieht man nachahmens­werte Ansätze: auf zwei oder dreistöcki­ge Mehrfamili­enhäuser wurde ein weiteres Stockwerk gesetzt, jeweils entstanden Dutzende neue Wohnungen. Eine mit großem Tamtam präsentier­te Idee, Innenhöfe auf Wohnkapazi­tät zu prüfen, scheint dagegen nicht den erwünschte­n Erfolg zu haben – man hört nichts mehr davon.

An mangelndem Baugrund jedenfalls liegt es nicht. Die Stadt hat noch riesige Flächen, aus denen Bauland gemacht werden könnte. Aber sie hat keinen Zugriff, weil die Eigentümer das Land lieber brach liegen lassen, als es zu verkaufen – kein Wunder bei zweistelli­gen Wertzuwäch­sen im Jahr. Soviel Zinsen gibt es sonst nirgends. Was nach wie vor entsteht, ist Luxus-Wohnraum – obwohl daran kein Mangel besteht. Was komische Blüten treibt: Die mit enormen Aufwand hochgezoge­nen Projekte im feinen weißen Stil stehen nur scheinbar leer: einige dieser Wohnungen wurden von ausländisc­hen Investoren gekauft und sind oft nur ein- oder zweimal im Jahr bewohnt.

 ??  ?? Isabel (10, l.), Annabelle (8, M.) und Helene (10, r.) sind drei der 15 Sternsinge­r, die in diesem Jahr für die Gemeinde Sankt Martin in Unterbilk unterwegs waren.
Isabel (10, l.), Annabelle (8, M.) und Helene (10, r.) sind drei der 15 Sternsinge­r, die in diesem Jahr für die Gemeinde Sankt Martin in Unterbilk unterwegs waren.
 ??  ?? Die Sternsinge­r Mei Yee Elisabeth Leung (9, l.), David Franusic (15, M.) und David Fries (11, r.) stärken sich in einer Pause im Forum der Sankt Martin Kirche.
Die Sternsinge­r Mei Yee Elisabeth Leung (9, l.), David Franusic (15, M.) und David Fries (11, r.) stärken sich in einer Pause im Forum der Sankt Martin Kirche.
 ??  ?? Johann (9) klebt den Segen von 2018 an die Türe von Gisela Peters.
Johann (9) klebt den Segen von 2018 an die Türe von Gisela Peters.
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Gisela Peters steckt Geld in die Spendendos­e von Annabelle (2.v.l.).

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