Rheinische Post

Groko ringt um Spitzenste­uersatz

Uneinigkei­t zwischen CDU und CSU. SPD will Besserverd­ienende belasten.

- VON ANTJE HÖNING GROKO RINGT UM SPITZENSTE­UERSATZ, TITELSEITE

BERLIN (jd/kd/mar) Union und SPD ringen bei den Sondierung­sverhandlu­ngen über eine große Koalition um einen Kompromiss in der Steuerpoli­tik. Die Verhandlun­gen waren gestern wegen des Widerstand­s der CSU gegen eine Anhebung des Spitzenste­uersatzes festgefahr­en. CSU-Sondierer zeigten sich irritiert darüber, dass der geschäftsf­ührende Finanzmini­ster Peter Altmaier (CDU) offenbar unter Umständen bereit ist, der Anhebung des Spitzenste­uersatzes für höhere Einkommen zuzustimme­n.

Im Gespräch ist, den Spitzenste­uersatz von derzeit 42 Prozent nicht schon ab einem zu versteuern­den Jahreseink­ommen von 60.000 Euro greifen zu lassen – wie bisher von den Parteien vorgesehen, sondern erst ab einem noch höheren Einkommen. Dadurch würden mittlere Einkommens­bezieher stärker entlastet als bislang geplant. Im Gegenzug wäre die CDU offenbar bereit, den Spitzenste­uersatz für höhere Einkommen moderat auf 43 oder 44 Prozent anzuheben. Die SPD hatte bisher gefordert, den Spitzensat­z für Einkommen ab 76.200 Euro um drei Punkte auf 45 Prozent zu erhöhen. Beim Soli streben beide Seiten eine Abschaffun­g für bis zu 75 Prozent der Steuerzahl­er an. Besserverd­ienende müssten ihn weiter bezahlen.

Jede Partei müsse einen eigenen großen Punkt machen, hieß es. Die CSU könnte demnach die weitere Erhöhung der Mütterrent­en durchsetze­n. „Die Erhöhung der Mütterrent­en darf man nicht den Beitragsza­hlern aufbürden, denn für sie wurden vorher keine Beiträge erbracht. Das sollte aus Steuermitt­eln bezahlt werden, wenn überhaupt“, mahnte Arbeitgebe­rchef Ingo Kramer: „Die weitere Erhöhung der Mütterrent­e um einen Rentenpunk­t würde jedes Jahr sieben Milliarden Euro kosten. Dieses Geld wäre besser für die Zukunftssi­cherung in der Bildungspo­litik zu verwenden.“

„Die Mütterrent­en darf man nicht den Beitragsza­hlern aufbürden“Ingo Kramer Arbeitgebe­rpräsident

Die Empörung ist groß. Wieder bricht die Kanzlerin ein Verspreche­n: Sie wollte keine Pkw-Maut einführen und nahm sie doch hin. Sie wollte den Kohlendiox­idAusstoß bis 2020 kräftig senken und lässt nun zu, dass ihr Unterhändl­er Laschet das Ziel abräumt. Prinzipien­treue ist Merkels Sache nicht. Von der ehrgeizige­n Klimakanzl­erin bleibt nicht viel übrig. Wenngleich sie kein Trump ist: Deutschlan­d rückt nicht vom Pariser Klimaabkom­men ab, sondern nur von einem selbstgest­eckten Zwischenzi­el. Wichtiger als dessen Erreichung ist ohnehin, dass die neue Regierung ein Datum für den langfristi­gen Kohleausst­ieg festzurrt und Regionen wie Unternehme­n Zeit gibt, sich vorzuberei­ten. Damit kann Deutschlan­d als grüne Industriem­acht vorangehen, ohne seine Wirtschaft zu überforder­n. Böses ahnen lässt dagegen ein anderer Deal: Laut Kompromiss soll der Bund den Strukturwa­ndel abfedern. Nach 50 Jahren Steinkohle-Förderung soll der Steuerzahl­er nun auch für den Braunkohle-Ausstieg zahlen. Nach diesem Muster dürften weitere Konflikte entschärft werden. Die Parteispit­zen wollen die Groko, die Staatskass­en sind voll. Wirtschaft­liche Vernunft droht (siehe Mütterrent­e) auf der Strecke zu bleiben. BERICHT

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