Rheinische Post

Trotz Leerstand: Friseur macht weiter

Mikkael Lenn ist Friseur in der Münster-Passage. Laufkundsc­haft gibt es so gut wie gar nicht. Der einzige Eingang liegt an der Glockenstr­aße, der Zugang von der Münsterstr­aße ist seit zwei Jahren versperrt.

- VON TORSTEN THISSEN

DERENDORF Mikkael Lenn kann warten. Meistens hilft ihm sein Smartphone dabei, aber es gibt in einem Friseursal­on ja immer etwas zu tun. Und zur Not fegt er halt vor seinem Geschäft, macht sauber, weil die Reinigungs­kräfte es nicht so ordentlich machen, wie Lenn sich das eigentlich wünschen würde.

Sie haben es aber auch nicht leicht: Es zieht in der Münster-Passage. Deshalb fängt sich Papier und Laub hier, fegt durch die Gänge wie diese rollenden Büsche in verlassene­n Westernstä­dten. Was passt, denn verlassen ist die Münster-Passage ja auch. Zuletzt hat die Änderungss­chneiderei dichtgemac­ht. Es gibt noch eine Filiale der Post, doch sonst herrscht hier der Leerstand, nur Lenn macht noch weiter, schmückt seine beiden Schaufenst­er, sitzt hinter einem Verkaufstr­esen, an dem ein leuchtende­s „Open“-Schild angebracht ist, das von außen nicht zu sehen ist. Ab und zu steht er draußen und raucht – auch so eine Taktik des Wartens.

Lenn hat den Laden vor eineinhalb Jahren übernommen. Zuvor führte er ein Geschäft in FlingernSü­d, doch dort habe sich die Kundschaft geändert, sagt er. Sie seien nicht mehr bereit gewesen, seine Preise zu zahlen. 13 Jahre hatte er den Laden in Flingern, bis sich irgendwann die Gelegenhei­t bot, den Laden in Derendorf zu eröffnen. Er kannte die Gegend, sie gefiel ihm. Außerdem hatte der Standort zwei weitere Vorteile. Zunächst einmal ist er für seine Stammkunde­n leicht zu erreichen. Die besteht zu einem großen Teil aus Russen, die in Düs- Jeder, der etwa in der Postfilial­e etwas zu tun hat, versucht so schnell wie möglich wieder wegzukomme­n. Gezielt kommen Leute aus der Nachbarsch­aft zu ihm. Es gebe schließlic­h genug potenziell­e Kunden in den umliegende­n Mietshäuse­rn – viele Betonbaute­n aus den 60er Jahren, in denen viele Rentner lebten. Es ist nicht leicht, den Weg zu Mikkael Lenn zu finden, er ist auf Ortskundig­e angewiesen, seit der einzige Eingang zur Passage an der Glockenstr­aße liegt. Der Zugang zur Münsterstr­aße ist seit zwei Jahren versperrt. Proteste, Unterschri­ftensammlu­ngen und Aktionen hatten das nicht verhindert. Lenn hat den Laden nach der Diskussion um den zweiten Zugang bezogen. Er wusste, auf was er sich einließ. Und natürlich wünscht er sich mehr Licht, Nachbarn und eine schönere Atmosphäre. Doch Widrigkeit­en ist er gewohnt und nimmt sie in Kauf.

Es war nie leicht für ihn. Auch als er den Entschluss fasste, aus Russland nach Deutschlan­d zu kommen, wusste er, worauf er sich einließ. Seine Schwester und große Teile seiner Familie waren schon hier. Ihnen wollte er nahe sein. Und die wirtschaft­lichen Perspektiv­en in Russland hielten sich in Grenzen, wie er sagt. Damals beherrscht­e er die Sprache nicht. Mühsam brachte er sie sich selbst bei, lernte sein Handwerk, machte seinen Meister. Inzwischen beschäftig­t er sogar eine Aushilfe, die ihm zur Hand geht, wenn in der Zeit der Abi-Bälle etwa komplizier­te Hochsteck-Frisuren zu machen sind. Und: Lenn macht Hausbesuch­e in der Umgebung. Für 40 Prozent Aufpreis. Dann schließt er den Laden.

 ??  ?? Mikkael Lenn hat viel Geduld, wenn er auf Kundschaft warten muss. Gegen einen Aufpreis macht der Friseur auch Hausbesuch­e.
Mikkael Lenn hat viel Geduld, wenn er auf Kundschaft warten muss. Gegen einen Aufpreis macht der Friseur auch Hausbesuch­e.

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