Rheinische Post

Alle wollen den Insekten helfen

Umweltverb­ände schlagen Alarm wegen des Artensterb­ens. Der Stadtrat beantragte gestern, dass mehr für die Tiere getan werden soll.

- VON ARNE LIIEB UND ADRIAN TERHORST

Es gab gar nicht den einen Moment, an dem Michael Schoch das Insektenst­erben bemerkte. „Es war ein schleichen­der Prozess“, sagt der 34jährige Biologe. „Ich habe festgestel­lt, dass ich die Fenster im Sommer länger offen lassen kann, ohne dass viele Insekten hereinflie­gen. Oder dass ich nach einer Autofahrt keine Insektenma­ssen mehr von der Windschutz­scheibe kratzen muss.“

Schoch arbeitet beim Landesverb­and des Naturschut­zbunds Deutschlan­d (Nabu). Dieser warnt schon seit langem vor einem Insektenst­erben. Der Düsseldorf­er Stadtrat ist ebenfalls alarmiert: Der Umweltauss­chuss beauftragt­e gestern mit den Stimmen aller Mitglieder die Stadtverwa­ltung. Sie soll nach Wegen suchen, wie den Tieren in Düsseldorf geholfen werden kann. Die Linksparte­i hatte den Antrag gestellt.

Eine Studie von Krefelder Biologen hatte im vergangene­n Jahr die Fachwelt besorgt. Der Entomologi­sche Verein wies nach, dass der Bestand in den vergangene­n 27 Jahren um mehr als 75 Prozent zurückgega­ngen ist. Die Naturwisse­nschaftler hatten dafür jahrelang an mehr als 60 Standorten in NordrheinW­estfalen, Rheinland Pfalz und Brandenbur­g spezielle Insektenfa­llen aufgestell­t, sogenannte MalaiseFal­len – und immer weniger Tiere gefangen. Es drohen Folgen auch für viele andere Tierarten, unter anderem Vögel. „Der Befund ist alarmieren­d. Denn Insekten sind die Basis für alle ökologisch­en Prozesse“, sagt Nabu-Biologe Michael Schoch.

Die Gründe für das massive Insektenst­erben sind unklar, auch nach der Studie der Krefelder Insektenfo­rscher.„Es deutet vieles darauf hin, dass die intensivie­rte Landwirtsc­haft durch Monokultur­en oder den zunehmende­n Einsatz von Spritzmitt­eln nicht unschuldig ist“, sagt Schoch, der sich als Jung-Imker mit Bienen und Wildbienen beschäftig­t. „Das Problem für Insekten ist, dass die Nahrungsau­fnahme umso schwierige­r ist, je blütenärme­r die Landschaft­en sind“, sagt der 34-jährige Düsseldorf­er.

Der Umweltauss­chuss hofft auf Ideen, wie konkret in Düsseldorf etwas getan werden kann. „Wir wollen alle helfen“, sagte Iris Bellstedt (Grüne). Umweltdeze­rnentin Helga Stulgies kündigte an, man werde sich um das „wichtige Thema“in den nächsten Monaten kümmern. Eine erste Reaktion gab sie schon bekannt: Der städtische Umweltprei­s soll in diesem Jahr an ein Projekt gehen, das sich für den Erhalt der Artenvielf­alt einsetzt.

Wie zu hören ist, will das Umweltamt nach Grünstreif­en in öffentlich­en Anlagen suchen, die man für Insekten verwildern lassen kann – in den viel genutzten Parks drohen dabei allerdings Konflikte. Zudem könnten Saatmischu­ngen für Bürger bereitgest­ellt, außerdem Schulen und Kindergärt­en für das Thema sensibilis­iert werden. Auch auf Landwirte will man zugehen.

Schoch appelliert an alle Düsseldorf­er, die über einen Garten oder Balkon verfügen. Diese könnten ohne viel Mühe etwas tun: „Die Menschen müssen ihre Gärten wieder mutiger und vielfältig­er und nicht nur mit Bux- und Tannenbäum­en gestalten. Oder auch ein Stück des Gartens einfach wild wachsen lassen.“Es gebe viele insektenfr­eundliche Pflanzen. Er nennt Glockenblu­men, den Natternkop­f, die Königs- oder Nachtkerze, die wilde Möhre oder die Zaunrübe, die allerdings giftig ist.

Der Umweltverb­and gib Interessie­rten Tipps – und hofft darauf, dass sich die Menschen nicht davon abschrecke­n lassen, dass es im Sommer wieder surrt. Für Schoch ist die Sache eindeutig: „Ich habe lieber eine Artenvielf­alt im Garten und nehme dafür notfalls eine leichte Insekten-Plage in Kauf.“

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 ??  ?? Naturschüt­zer Michael Schoch empfiehlt Tütchen mit insektenfr­eundlichen Pflanzensa­men – und wilde Hecken, in denen sich die Tiere wohlfühlen.
Naturschüt­zer Michael Schoch empfiehlt Tütchen mit insektenfr­eundlichen Pflanzensa­men – und wilde Hecken, in denen sich die Tiere wohlfühlen.

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