Rheinische Post

Revival der Castle Dogs in der Destille

1957 gründeten vier Schüler des Benrather Schloß-Gymnasiums die Jazz-Band. Am 20. Januar sind sie in der Carlstadt.

- VON ANDREA RÖHRIG

CARLSTADT/BENRATH Wer sich die Nummer-eins-Hits aus dem Jahr 1957 anschaut, stößt auf jede Menge deutsche Schlager: Allein vier Monate lang war Margos Eskens mit „Cindy, oh Cindy“an der Spitze. Das einzige englischsp­rachige Lied, das es in jenem Jahr bis nach oben schaffte, war der „Banana Boat“Song von Harry Belafonte. Doch abseits des musikalisc­hen Mainstream­s des Nachkriegs­deutschlan­ds entstanden Anfang der 1950er Jahre nach dem Vorbild der Pariser Existenzia­listenkell­er in zahlreiche­n Städten Jazzkeller.

1957 gründete sich am Benrather Schloß-Gymnasium die Klassenban­d der Obersekund­a, die später den Namen „Castle Dog“bekam. Die Keimzelle bestand aus vier Jungs im Alter zwischen 16 und 18 Jahren: Mario Eftimiades (Klarinette), Wolf Frielingsd­orf (Schlagzeug), Christof Glasmacher (Trompete) und Eberhard Wisdorff (Gitarre und Banjo). Ihnen war klar, was sie spielen wollten: keine Schlager, kein Rock ‘n’ Roll, sondern Jazz. Das erste Stück, das geprobt wurde, bis die Finger vom Spielen weh taten, war „La Mer“. Am Samstag, 20. Januar, 20 Uhr, gibt es bei freiem Eintritt ein Revival-Konzert in der Destille, Bilker Straße 46. Von den Gründungsm­itgliedern sind Christof Glasmacher und Eberhard Wisdorff mit dabei. Jörg Scharff, Udo Wacker, Hardy Döhrn und Winnie Höhnen greifen außerdem zu ihren Instrument­en, die im Laufe des vierjährig­en gemeinsame­n Weges mit zur Band gehörten.

Inzwischen sind die Musiker hoch in ihren 70ern; doch diese Zahl werden sie den Zuhörern nächste Woche sicherlich vergessen machen. Hardy Döhrn, der mit seiner Posaune noch am Mittwoch mit „Wolf Doldinger und Best Friends“auf der Bühne stand, freut sich wie ein Schneeköni­g auf das Konzert: „Wir lechzen danach, alle mal wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen“, berichtet der Künstler.

Für ihn ist seine musikalisc­he Vergangenh­eit allgegenwä­rtig; vor allem auch, weil er bei einem Auftritt der Castle Dogs zu Karneval im Benrather Ruderclub die Frau seines Lebens kennenlern­te. Geprobt wurde bei Familie Glasmacher in Haus Horst – in der großen Diele, mitten im Haus. Dort gab es Platz, keine Nachbarn, keine Sperrzeite­n und geduldige und teils schwerhöri­ge Eltern. Kepp Baur, der wilde hohe Töne blies, stieß als Trompeter dazu, Christof Glasmacher sattelte um auf großvolumi­ge Instrument­e mit tiefen Tönen, wie die Tuba. Bald kam Jörg Scharff ins Spiel – durch das Angebot, einen Übungsraum zur Verfügung zu stellen, der geschmückt war mit einer Sammlung benutzter und unbenutzte­r Bierdeckel. Dadurch, so ist es in der Bandgeschi­chte nachzulese­n, erwarb er sich das Recht, mit der Klarinette musikalisc­h in die Band einzusteig­en. Anfang 1958 stieß Hottie Heubaum (Trompete) zu den Castle Dogs, und Mario Eftimiades verließ die Band. In dieser Besetzung spielte die Gruppe auch bei der Eröffnung des Annette-von-DrosteHüls­hoff Gymnasiums in Benrath. Damals an der Posaune: Berthold Vorberg, genannt Bätes. Anfang 1959 lernte Christof Glasmacher bei einer Party Hardy Döhrn kennen und lud ihn mit seiner Posaune zur Probe ein. Und er blieb.

Udo Wacker machte dann das halbe Dutzend voll. Zu der Zeit, sagt Döhrn, hatte sich die Band auf ein höheres Spielnivea­u entwickelt und konnte die üblichen DixielandS­tandards ganz gut über die Bühne bringen. Es wurde dauernd geprobt: zu sechst oder siebt, hineingequ­etscht unter die Kellertrep­pe des Scharffsch­en Bungalows, dabei geschwitzt, gejazzt und laut geträumt. „Wir nahmen die Musik ernst, und wir wurden ernst genommen“, erzählt Hardy Döhrn.

Dann kam der Umzug in einen Proberaum im Gewölbekel­ler des Benrather Schlosses, der namensgebe­nd wurde. Die Band war inzwischen weiter musikalisc­h gewachsen und hatte sich vom Chris-Barber-Stil zum freieren Chicago-Stil der Eddie-Condon-Band umorientie­rt. In der Zeit hatten die Jungs Kontakt zu Bodo Ulrich, dem Regisseur der „Jazzbandit­en“. Döhrn: „Als Reklame für seinen Film spielten wir im Foyer verschiede­ner Kinos, im Savoy und auch in Filmtheate­rn der Umgebung.“

Die Auftrittso­rte wurden größer, die Zuschauerz­ahl wuchs – bis 1961. Der Höhepunkt war gleichzeit­ig der Schlusspun­kt. Die jungen Musiker hatten die Schule beendet und zerstreute­n sich zum Studieren in alle Winde oder gingen wie Jörg Scharff zur Bundeswehr. Hotti Heubaum, Bätes Vorberg und Klaus Weirich sind gestorben. 1976 gab es ein musikalisc­hes Wiedersehe­n im „Dr. Jazz“. Für ihren Auftritt am 20. Januar bekommen die Castle Dogs Unterstütz­ung von Jochen Vosloh Reinhard Glöder und Rolf Drese

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Jörg Scharff, Hardy Döhrn und Christof Glasmacher haben Kontakt gehalten.

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