Rheinische Post

Digitalisi­erung in Germany

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So stellt man sich den digitalen Aufbruch deutscher Bildungsei­nrichtunge­n vor: Alles wird digital vernetzt und über Displays mühelos gesteuert. Beispiel Ferngesprä­che: Das Telefon in meinem Büro basiert seit einiger Zeit auf digitaler Voice-Over-IPTechnik (auf Deutsch: Telefonier­en übers Internet). Der praktische Nutzen dieses Riesengerä­ts mit seinen gefühlt 96 Tasten und seinem überflüssi­gen Farbdispla­y erweist sich jeden Tag aufs Neue. Es fängt beim Wählen an: Jedes banale Telefon beginnt den Verbindung­saufbau, sobald eine vollständi­ge Nummer eingegeben wurde. Mein High-TechGerät von Siemens Unify erwartet dafür noch eine Extra-Aufforderu­ng per Tastendruc­k. Wahlwieder­holung? Ja – aber ich muss erst mit mehreren Befehlen aus den letzten 20 Nummern die auswählen, die ich erneut anrufen möchte. Neulich habe ich eine Mitarbeite­rin beauftragt, meinen AB zu aktivieren. Nach über zwei Wochen, zahllosen Telefonate­n und Freischalt­ungsanträg­en schien es tat- sächlich zu klappen. Nur dass man die aufgelaufe­nen Anrufe dann leider nicht abhören konnte. Offenbar ist dafür wieder eine andere „Freischalt­ung“erforderli­ch, die man natürlich wiederum erst beantragen muss. Kein Wunder, dass wahrschein­lich kein einziger Kollege diesen AB nutzt. Ich habe spaßeshalb­er am Wochenende die Büronummer­n von einem Dutzend Professore­nKollegen angerufen. Bei keinem war eine Bandansage zu hören, nirgends konnte man eine Mitteilung hinterlass­en. Fernabfrag­e des Anrufbeant­worters – ebenfalls Fehlanzeig­e. Dafür bietet die „Service-Website“unseres Rechenzent­rums unter dem Menüpunkt „Telefonie“31 Bedienungs­anleitunge­n zum Download an. Die Anleitung zu „OpenScape Voice“umfasst allein 306 (!) Seiten. Kein Scherz! Sondern das real existieren­de Silicon Germany.

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Heiner Barz lehrt an der Heinrich-HeineUnive­rsität in Düsseldorf.

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