Rheinische Post

Groschek offen für Groko-Nachbesser­ung

Der Landeschef sieht die NRW-SPD auf dem Parteitag in einer zentralen Rolle und rechnet mit einer Mehrheit für Schwarz-Rot.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Michael Groschek hat in seinem politische­n Leben schon einiges durchgemac­ht: historisch­e Wahlnieder­lagen wie zuletzt in NRW, Anfeindung­en wie zu Zeiten der Hartz-IV-Reformen, geplatzte Bundesmini­ster-Träume. Kaum eine Woche jedoch war wohl so entscheide­nd für die Zukunft der SPD und ihr Führungspe­rsonal wie diese. Seit Tagen reist Groschek als Chef der nordrhein-westfälisc­hen SPD durch das Land, damit die Genossen des mächtigste­n Landesverb­andes am Sonntag auf einem Bundespart­eitag der Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen zustimmen.

Nach den Vorbesprec­hungen mit den Delegierte­n in Westfalen und im Rheinland gab er sich gestern im Gespräch mit unserer Redaktion zuversicht­lich: „Ich glaube, dass wir am Ende eine überzeugte, keine überredete Mehrheit haben werden.“Die Stimmung unter den Delegierte­n sei nachdenkli­cher geworden. Große Skepsis war ihm und Parteichef Martin Schulz an den Vortagen in Dortmund und Düsseldorf entgegenge­schlagen.

Die Zerrissenh­eit der Partei macht selbst vor Groscheks Familie nicht halt. Sein Sohn Jesco ist bei den Jusos aktiv. Die Jugendorga­nisation ist aber der größte innerparte­iliche Gegner einer Groko. So überzeugt ist der 27-Jährige von seinem „No Groko“, dass er am Dienstagab­end sogar vor dem Tagungshot­el gegen die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen demonstrie­rte. Während sein Vater drinnen alles gab, um die Delegierte­n dafür zu gewinnen. „Ich habe Respekt vor den politische­n Überzeugun­gen meines Sohnes. Wir haben eben kein Vater-Sohn-Verhältnis nach dem Motto ‚Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst‘“, sagt der 61-Jährige.

Jesco, den Groschek nach seinem besten Schulfreun­d nannte, sei eben eine eigenständ­ige Persönlich­keit. „In seinem Alter habe ich auch ausschließ­lich an den großen Wurf geglaubt. Heute weiß ich, dass der große Wurf manchmal schrittwei­se leichter erreicht werden kann als in einem einzigen großen Aufschlag“, gibt sich der Vater abgeklärt. Manchmal wird es offenbar dann doch zu viel: „Aber man muss bei Diskussion­en auch mal einen Punkt machen. So, wie wenn ein BVB- und ein Schalke-Fan aufeinande­rtreffen. Da braucht es dann auch ein anderes Thema als Fußball.“

Bis Sonntag muss Groschek in der Partei noch einige Überzeugun­gsarbeit leisten. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird in der NRWSPD hinter den Kulissen über Nachbesser­ungen der Sondierung­sergebniss­e nachgedach­t, um unschlüssi­ge Parteifreu­nde am Ende doch noch zu einem Ja zu bewegen. Etwa bei besonders umstritten­en Punkten wie prekären Arbeitsver­hältnissen. „Verbessern ist nicht verboten“, sagt Groschek dazu. Er könne aber nur verspreche­n, was er auch halten könne. Es gebe weiterhin bundesweit Diskussion­en, die sich vor allem auf das Kleingedru­ckte in dem Sondierung­spapier bezögen. Die NRW-SPD trage eine ganz besondere Verantwort­ung dafür, dass dieser Parteitag gelinge. „Die Rolle der NRW-SPD auf dem Parteitag ist die eines Brückenbau­ers: Wir werden helfen, dass eine überzeugte Mehrheit zustande kommt.“

Konkreter wird Groschek nicht. Zu groß ist wohl derzeit die Gefahr, dass Vorschläge vorzeitig zerredet werden. Auch die Union als potenziell­er Koalitions­partner achtet peinlich genau darauf, dass die Sondierung­sergebniss­e nicht verändert werden. Wie schädlich Polemik sein kann, hatte die Bemerkung von Alexander Dobrindt (CSU) gezeigt, der die Diskussion­en innerhalb der SPD als „Zwergenauf­stand“bezeichnet und damit unter den Genossen neu- en Unmut ausgelöst hatte. „Herr Dobrindt ist und bleibt der Minister der Murksmaut. Sein Verhalten zeigt, wie erschrocke­n und angsterfül­lt er auf die bayerische Landtagswa­hl schaut. Durch die inneren Verlustäng­ste der CSU sollte eine Regierungs­bildung auf der Bundeseben­e nicht belastet werden“, kontert Groschek.

Eine Rechnung hat der gebürtige Oberhausen­er auch noch mit dem früheren Parteifreu­nd Oskar Lafontaine offen, der seinerzeit die Linksparte­i gegründet hatte und der SPD neuerdings als Volksparte­i Konkurrenz machen will: „Oskar Lafontaine­s Hassliebe zur SPD nimmt Millionen Menschen in politische Geiselhaft. Das sollte er lieber auf der Couch klären als mit uns.“

Nur ungern denkt Groschek darüber nach, was passiert, wenn der Parteitag die Groko ablehnt. Für ihn ist klar, dass eine Minderheit­sregierung keine Option ist: „Eine Minderheit­sregierung hat die Union ausgeschlo­ssen.“Es gebe nur die beiden Möglichkei­ten Koalitions­verhandlun­gen oder Neuwahl. Vor einer Neuwahl habe die SPD keine Angst, strebe sie aber auch nicht an: „Neuwahlen können nicht einfach beschlosse­n werden. Dafür hat die Verfassung klare Regeln.“

An dem Parteitag hängt auch Groscheks politische­s Schicksal. Weil er in Berlin bei den Sondierung­en mitverhand­elt hat, wäre eine Ablehnung des Papiers auch ein Misstrauen­svotum gegen ihn. Darauf angesproch­en, bekräftigt er, es werde am Sonntag eine „überzeugte Mehrheit“geben. Umgekehrt könnte eine Groko dem früheren NRW-Bau- und Verkehrsmi­nister in Berlin aber auch ganz neue Möglichkei­ten eröffnen. Davon will er aktuell nichts wissen: „Wir reden jetzt über Inhalte und nicht über Personal.“

 ??  ?? Andrea Nahles, Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Bundestag, SPD-Landeschef Michael Groschek und der Parteivors­itzende Martin Schulz (v.l.) am Montag in Dortmund bei der Versammlun­g der Delegierte­n des SPD-Parteitags.
Andrea Nahles, Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Bundestag, SPD-Landeschef Michael Groschek und der Parteivors­itzende Martin Schulz (v.l.) am Montag in Dortmund bei der Versammlun­g der Delegierte­n des SPD-Parteitags.

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