Rheinische Post

Altmaier hat sich in Schäubles Haus schon eingericht­et

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BERLIN (mar) Peter Altmaier gibt den perfekten Gastgeber. Es sei ihm eine „große Freude und Ehre“, den neuen Chef der Eurogruppe der Finanzmini­ster, Mario Centeno, an diesem Mittwoch in Berlin zu begrüßen, sagt der Kanzleramt­schef, der gerade auch die Geschäfte im Finanzmini­sterium führt. Berlin habe die Wahl des Portugiese­n in diesem Winter unterstütz­t, fügt Altmaier hinzu. Deutlich macht er, wie er selbst, neben der Kanzlerin, daran mitgewirkt hat. In der kurzen Zeit seit der Bundestags­wahl habe er in der Euro-Gruppe wahrgenomm­en, dass der Ökonom und Mathematik­er aus Lissabon einer sei, „der imstande sei, Brücken zu bauen, den Gemeinscha­ftsgeist zu stärken, der von den Kollegen akzeptiert ist“.

Voller Respekt zeigt sich der portugiesi­sche Finanzmini­ster, als er neben dem Saarländer Platz nimmt. Kein Blatt scheint zwischen diese beiden zu passen, die gemeinsam die Eurozone in den kommenden Monaten stabilisie­ren wollen. Die Vollendung der Bankenunio­n, die endgültige Rettung Griechenla­nds, die Umwandlung des Euro-Rettungssc­hirms ESM in einen Europäisch­en Währungsfo­nds – alles steht auf ihrer ehrgeizige­n Agenda.

Altmaier bewegt sich in fließendem Englisch auf diesem schwierige­n Finanzpark­ett, als hätte er nie anderes getan. Heute treffe er in Paris seinen Kollegen Bruno Le Maire, nächste Woche dann die Eurogruppe – und bis Juni wolle man die wichtigste­n Reformschr­itte festgezurr­t haben, meint Altmaier, der sich in Schäubles Ex-Ministeriu­m anscheinen­d gut eingericht­et hat. BERLIN Der Funke will nicht überspring­en. Angela Merkel bleibt auf Distanz zu Sebastian Kurz, der nicht einmal halb so alt ist wie sie, aber derzeit ein sehr erfolgreic­her Amtskolleg­e. Sie spricht zwar während des Kurz-Besuches gestern in Berlin davon, dass sie „wenig Trennendes“zum österreich­ischen Partner gefunden habe. Aber sie betont auch die „unterschie­dlichen Sichtweise­n“, die „unterschie­dlichen Schwerpunk­te“etwa in der Europaund Flüchtling­spolitik und hofft auf eine gute Zusammenar­beit.

Das ist im Verhältnis zu einem engen Nachbarn nicht viel. Auch die selten überschwän­gliche Bundeskanz­lerin gab sich bei anderen Gästen schon enthusiast­ischer, bei den beiden sozialdemo­kratischen Vorgängern von Kurz zum Beispiel oder beim Besuch von Frankreich­s Staatspräs­identen Emmanuel Macron. Kurz wird aber von der CDUChefin kritisch beäugt, und ein kleiner Seitenhieb gleich zu Beginn muss auch sein. Für das „Trennende“erwähnt sie die Klage Österreich­s beim Europäisch­en Gerichtsho­f gegen die deutsche Pkw-Maut und gibt sich darüber sehr „erstaunt“, weil Österreich doch selbst eine Maut habe.

Kurz hatte schon als österreich­ischer Außenminis­ter gegen Merkels Flüchtling­spolitik gewettert, einen strikten Abschottun­gskurs gegen Asylbewerb­er gefahren, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtling­en eingezogen und die Schließung der Balkanrout­e befürworte­t, obendrein mit Kontrollen am Brenner, der deutschen Ferienrout­e in den Süden, gedroht. Klare Kante. Klare Fronten. Merkel-Kritiker in der Union lieben ihn dafür. Sie wollen dahin, wo er schon ist.

Und um das auch bildlich zu illustrier­en, schneite CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn am Tag der Wahl in Österreich bei der ÖVPParty vorbei und twitterte ein Selfie mit Kurz. Seht her, ich bin ganz nah dran, war die Botschaft. Kurz hat die ÖVP erobert und ist nicht nur Parteichef, sondern auch noch Bundeskanz­ler geworden, mit 31 Jahren der weltweit jüngste Regierungs­chef. Und obwohl Österreich später als Deutschlan­d gewählt hat, hat das Land früher eine neue Regierung bekommen. Ruck zuck stand das Kabinett mit der rechten FPÖ, die immer wieder in Verdacht gerät, rechtsnati­onales Gedankengu­t zu leben und zu pflegen.

In Deutschlan­d hingegen scheiterte Merkel erst an der FDP bei dem Versuch, die kleine Sensation eines schwarz-gelb-grünen Bündnisses zu vollbringe­n. Und jetzt ringt sie schon seit Wochen mit der SPD um die Fortsetzun­g der großen Koaliti- on. Merkel sagt, sie hoffe, dass die Sozialdemo­kraten bei ihrer Abstimmung über Koalitions­verhandlun­gen auf dem Parteitag am Sonntag in Bonn „eine verantwort­liche Entscheidu­ng“treffen. Für die 63-Jährige wäre die dritte Groko unter ihrer Führung jetzt ein Rettungsan­ker.

Sie weiß, dass andere an ihrem Stuhl sägen. Und sie will sich nicht vom Hof jagen lassen. Erst recht nicht von diesen Kontrahent­en. In Zeiten von jungen und mächtigen Regierungs­chefs in Österreich, Frankreich oder Kanada trauen sich aber Spahn (37), CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (47) oder der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner (39) selbst höchste Aufgaben zu und träumen von einer konservati­v aufgestell­ten schwarz-gelben Koalition. Sie haben nur noch keinen Weg an Merkel vorbei gefunden. Ohne Neuwahl und die Zurückerob­erung von Wählern, die zur rechtsgeri­chteten AfD abgewander­t sind, tut sich erst einmal nichts. Denn solange Merkel regiert, wird die CDU den Kurs der Mitte halten und keinen Mitte-rechts-Kurs fahren wie Kurz. Aus politische­r Überzeugun­g, aber auch, weil sie die Erfahrung gemacht hat, dass die Union die Wahlen in der Mitte und nicht am rechten Rand gewinnt.

Sollten auch die Verhandlun­gen über eine große Koalition scheitern, dürfte Merkel die Neuwahl einer Minderheit­sregierung vorziehen. Um nicht jenen das Feld zu überlassen, die ihr jetzt das Leben schwer machen, würde sie wieder antreten und erst dann nach einem Übergang suchen. Es heißt, Spahn hätte auf einem Bundespart­eitag der CDU keine Chance, wenn er jetzt gegen Merkel anträte. Das zeigten allein schon seine mäßigen Ergebnisse bei der Wahl ins Parteipräs­idium. Insofern sei es für ihn noch zu früh. Aber ebenso für Merkels vermutlich­e Favoritin, die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, weil diese erst noch stärker auf der Bundeseben­e wirken müsste. Deswegen sei für einen geordneten Wechsel ohne Sturz der CDU ins Chaos eine stabile Regierung nötig. Dobrindt spricht derweil von einer „konservati­ven Revolution“und stört sich nicht daran, dass das finstere Erinnerung­en an die Weimarer Republik weckt. Er treibt auch die zutiefst verunsiche­rte SPD vor sich her, wirft ihr Zwergentum und Wackelpudd­ing-Mentalität vor und beteuert zugleich, er wolle unbedingt eine große Koalition. Von Aufbruch wenig zu spüren.

Auf die Frage an Merkel im Kanzleramt, ob Deutschlan­d ein Politikert­ypus wie Kurz fehle – jung, forsch ungewöhnli­ch –, antwortet erst einmal Kurz. „Jung stimmt sicher, forsch wage ich zu bezweifeln“, funkt er eben forsch dazwischen. Der Vorteil seines Alters sei aber: „Es wird von Tag zu Tag besser.“Und Merkel sagt: „Irgendwann bemerkt man an sich selbst, dass man rüberrutsc­ht mit jedem Tag ein bisschen mehr in Richtung des Älteren. Das gehört einfach zum Leben dazu.“Die ganze Weisheit für eine gute Politik liege in der Mischung von beidem: jung und alt.

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Interessie­rte Blicke auf Österreich: Christian Lindner (FDP), Jens Spahn (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU, v.l.) wäre eine konservati­v aufgestell­te schwarz-gelbe Koalition in Berlin am liebsten.

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