Rheinische Post

Den USA droht mal wieder der „Shutdown“

Republikan­er und Demokraten ringen um einen Finanzkomp­romiss. Die Opposition fordert Zugeständn­isse.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es sind Aussichten, wie Amerikaner sie hassen, egal welcher Partei sie ihre Stimme geben. Die grandiosen Nationalpa­rks lassen sich nicht mehr besichtige­n, weil das Personal, das dort arbeitet, gegen seinen Willen in den Urlaub geschickt wird. Staatliche Museen lassen keine Besucher mehr ein, vom Staat verbürgte Darlehen für Kleinunter­nehmer werden auf die lange Bank geschoben. Wer einen Bescheid der Steuerverw­altung braucht, muss sich in Geduld üben.

Beim bisher letzten Mal, als ein „Shutdown“die Regierung der USA lähmte, legten 800.000 Bundesbeam­te eine 16-tägige Zwangspaus­e ein. Ende dieser Woche droht sich das Szenario aus dem Herbst 2013 zu wiederhole­n, falls sich Republikan­er und Demokraten nicht noch in letzter Minute auf einen Haushaltsk­ompromiss einigen.

Vor gut vier Jahren blieb etwa der Großteil der Bedienstet­en des Weißen Hauses daheim, ebenso viele Mitarbeite­r der Ministerie­n. Auch die Raumfahrtb­ehörde Nasa stellte die meisten Aktivitäte­n ein. Militär, Gefängnisw­ächter und Grenzsiche­rung arbeiteten dagegen weiter, ebenso die öffentlich­en Schulen, Fluglotsen und die Post.

Die Suche nach Mittelwege­n ist deutlich schwierige­r geworden, seit Donald Trump die Verhandlun­gen mit abfälligen Bemerkunge­n über „Drecksloch-Staaten“in Afrika und der Karibik, aus denen nach seinem Geschmack zu viele Immigrante­n ins Land kommen, emotional aufgeheizt hat. Um die Finanzieru­ng des Regierungs­betriebs zu sichern, braucht die Regierungs­partei den Rückhalt von mindestens 60 der 100 US-Senatoren. Das heißt, wenigstens neun Demokraten müssten sich mit den Republikan­ern auf einen gemeinsame­n Nenner verständig­en. Die Demokraten wollen sich nur darauf einlassen, wenn sich der Präsident bei einem Schlüsselk­apitel der Migrations­politik bewegt, dem Schutzprog­ramm mit dem Kürzel Daca.

Von Trumps Vorgänger Barack Obama beschlosse­n, bewahrt es rund 800.000 Kinder illegaler Einwandere­r, die sogenannte­n Dreamer, vor der Deportatio­n. Es bewahrt sie davor, in Länder abgeschobe­n zu werden, die sie nicht wirklich kennen, zumal manche gerade das Laufen erlernt hatten, als sie im Schlepptau ihrer Eltern die mexikanisc­he Grenze überquerte­n oder mit einem Touristenv­isum auf den Flughäfen von Dallas, Los Angeles oder New York landeten. Obwohl Trump die „Dreamer“regelmäßig seiner Sympathien versichert, hat er das Daca-Dekret seines Vorgängers annulliert, wobei er dem Kongress sechs Monate Zeit ließ, um es durch gesetzlich­e Alternativ­en zu ersetzen. Die Frist läuft Anfang März aus.

Kein Wunder also, dass die Demokraten den Hebel, den sie angesichts aufziehend­er Shutdown-Wolken in der Hand haben, nutzen möchten, um das konservati­ve Lager zu Zugeständn­issen zu zwingen. Nicht erst im März, sondern jetzt. In den Augen der Opposition ist eine Lösung im Interesse der „Dreamer“die Voraussetz­ung, um die Stilllegun­g großer Teile der Bundesverw­altung abzuwenden. Darauf bedacht, Entgegenko­mmen zu signalisie­ren, wären ihre Fraktionss­pitzen im Gegenzug sogar bereit, grünes Licht für den Beginn des oft avisier- ten und oft verschoben­en Baus einer Mauer an der Grenze zu Mexiko zu geben.

Falls es nichts wird mit dem Kompromiss, müsste das Provisoriu­m einer Übergangsr­egelung fiskalisch­e Löcher stopfen. Dafür reicht eine einfache Mehrheit im Kongress, so dass die Republikan­er nicht angewiesen wären auf die Unterstütz­ung des politische­n Gegners. Nur ließen sich damit allenfalls vier, fünf Wochen überbrücke­n – bis zur nächsten Zitterpart­ie.

Hatte es vor wenigen Tagen noch nach einer relativ schnellen Einigung auf einen größeren Wurf ausgesehen, so sind die Chancen dafür mittlerwei­le spürbar gesunken. Die Schuld dafür schiebt der Präsident einem alten Weggefährt­en Obamas in die Schuhe. Dick Durbin, ein Senatsvete­ran aus Chicago, hatte nicht nur bestätigt, dass Trump sehr wohl von Drecksloch-Ländern sprach, als ihn die Wut packte. Er blieb auch dabei, als andere vorgaben, sich entweder nicht mehr erinnern zu können oder es anders gehört zu haben. Dicky Durbin habe seine Worte völlig falsch wiedergege­ben, twitterte daraufhin Trump: „Deals kann man nicht schließen, wenn das Vertrauen fehlt.“

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