Rheinische Post

Der Heimkehrer

Sandro Wagner ist gebürtiger Münchner. Nach einer wechselhaf­ten Karriere steht er wieder bei Bayern unter Vertrag.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Im Sommer 2012 hatte Sandro Wagner seine Zukunft hinter sich. Wieder einmal. Mit dem 1. FC Kaiserslau­tern war er aus der Bundesliga abgestiege­n, und weil er vom SV Werder Bremen in die Pfalz ausgeliehe­n war, kehrte er ins Vorbereitu­ngstrainin­g nach Bremen zurück. Doch dort bedeuteten ihm die Vereinsobe­ren, dass seine Dienste nicht mehr benötigt würden. Sie schickten ihn zur zweiten Mannschaft. Drei Jahre nachdem er mit einer neuen goldenen Generation des deutschen Fußballs an der Seite von Mesut Özil, Sami Khedira, Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Jerome Boateng und Mats Hummels die U-21-Europameis­terschaft gewonnen hatte, war der Mittelstür­mer ganz unten.

Es sah auch in den Folgejahre­n nicht unbedingt so aus, als solle Wagner noch mal so richtig ins Rampenlich­t treten. Als seine ehemaligen Kollegen aus dem U-21Team mit der großen A-Mannschaft Weltmeiste­r wurden, schickte ihn sein Arbeitgebe­r Hertha BSC in die zweite Mannschaft. Vier Jahre darauf ist Wagner Nationalsp­ieler und Angestellt­er des FC Bayern München, also fast ganz oben. „Das ist der beste Verein in Deutschlan­d und einer der besten der Welt“, sagte der Stürmer. Und da wollte gewiss niemand widersprec­hen.

Das war auch schon mal anders bei Wortbeiträ­gen des 1,94 m großen Kerls mit dem großen Mundwerk. Er hatte mit seinen Toren für Darmstadt 98 gerade zum wahrlich sensatione­llen Klassenerh­alt beigetrage­n, da zog es ihn 2016 zu 1899 Hoffenheim. Und weil er auch dort viel regelmäßig­er traf als in der zurücklieg­enden, eher wechselhaf­ten Profi-Karriere, stellte Wagner fest: „In meinen Augen bin ich seit einiger Zeit der beste deutsche Stürmer.“Bis heute hört man das tiefe Seufzen der Ohrenzeuge­n.

Bundestrai­ner Joachim Löw überhörte die Bewerbung um ein Amt in seinem Team. Der oberste Übungsleit­er der Nation findet Lautspre- cher verdächtig, und er lässt sich Ansprüche immer noch am liebsten nur durch Leistungen auf dem Platz vortragen. Athleten wie Michael Ballack werden das bestätigen können. Er hatte ebenfalls eine große Klappe, die ihm irgendwann zum Verhängnis wurde. Weil Ballack allerdings einige Jahre auf Weltklasse­Niveau spielte, fiel er bei Löw erst durch den Rost, als die Leistungen mit den öffentlich­en Ansprüchen nicht mehr übereinsti­mmten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wagner schaffte es trotzdem in die DFB-Auswahl. Löw bescheinig­te ihm nach Auftritten gegen das kleine Dänemark und den Riesenzwer­g San Marino: „Er hat bei den Spielen einen großen Schritt nach vorn gemacht. Er war sehr präsent im Strafraum mit seiner Kopfballst­ärke und Kraft.“Beim 7:0 gegen San Marino erzielte der Stürmer drei Tore. Und sogar bei Löw bemisst sich der Erfolg von Mittelstür­mern zumindest zum Teil in Treffern.

Außerhalb des Rasenviere­cks fuhr Wagner seine Werbekampa­gne in eigener Sache zurück. Er pflegte nun den artigen Tonfall der DFBKollege­n. „Es war ein schöner Abend“, sagte er nach dem Auftritt gegen San Marino in Nürnberg, „ich werde mich weiter anbieten, wenn Jogi Löw ruft, will ich da sein.“Dass ein entspreche­nder Ruf nur bei weiteren Empfehlung­en im Klub ergehen würde, wusste Wagner. „Wenn ich im Verein keine Tore mache, lädt mich nicht mal San Marino für ein Länderspie­l ein“, erklärte er. Und als er munter in die Runde schaute, haben alle herzlich gelacht.

Nur wenige konnten sich im Juni 2017 vorstellen, dass Wagner seine Bewerbungs­tore für Löws WM-Aufgebot ab Januar 2018 für die Bayern liefern muss. Vielleicht nicht einmal der Stürmer selbst. Er kennt sich in seiner Geburtssta­dt München zwar bestens aus, schließlic­h wohnt seine Familie noch immer dort. Und er spielte elf Jahre als Jugendlich­er und Jung-Profi für die Bayern. Das ist allerdings nicht der Grund dafür, dass Wagner mit 30 Jahren zurückkehr­t an die Stätte seiner Jugend.

Er ist der Ersatzmann für Robert Lewandowsk­i. 13 Millionen Euro Ablösesumm­e war es den Bayern wert, künftig einen gelernten Mittelstür­mer auf der Bank zu haben, den sie bringen können, wenn es beim Weltklasse­mann Lewandowsk­i zwickt. Das wiederum geschieht nicht oft. Und Lewandowsk­i ist nicht bekannt dafür, ein Anhänger längerer Spielpause­n zu sein. Sein Trainer Jupp Heynckes zeigte beim Rückrunden­start in Leverkusen, was geschehen kann, wenn Lewandowsk­i mal nicht so fit ist. Er stellte Thomas Müller in die Spitze. Wagner spielte nur ein paar Minuten. Aufs Tor schoss er nicht.

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