Rheinische Post

Die mächtigste Frau im Kirchensta­at

Seit einem Jahr leitet Barbara Jatta als erste weibliche Direktorin die Vatikanisc­hen Museen – und betreibt „kulturelle Diplomatie“.

- VON ANNETTE REUTHER

ROM (dpa) Als Papst Franziskus seine traditione­lle Weihnachts­ansprache vor der römischen Kurie hielt, saßen da viele ältere Männer. Ganz hinten saß die wohl einzige Frau in dieser Runde: Barbara Jatta. Die Leiterin der Vatikanisc­hen Museen ist die erste Frau an der Spitze der mehr als 500 Jahre alten Institutio­n, die unter anderem die Sixtinisch­e Kapelle mit Michelange­los Deckenmale­rei beherbergt. Die 55 Jahre alte Kunsthisto­rikerin wird gern als die mächtigste Frau im Kirchensta­at bezeichnet. Und nicht nur, weil ein beträchtli­cher Teil der Einnahmen des Vatikans aus dem Museum kommt.

Jatta sitzt in ihrem Büro, das Fenster steht offen, der Blick geht direkt auf die Kuppel des Petersdoms. Hier wird gleich klar, wem man zuarbeitet. Neben dem Schreibtis­ch stehen Familienbi­lder, Ehemann, drei Kinder. Jatta entschuldi­gt sich für das Zettelchao­s auf dem Tisch. „Es ist eine sehr intensive Aufgabe. Ich bin mit dem Kopf den ganzen Tag hier“, sagt sie, das Lächeln dennoch unbeschwer­t, die Augen strahlend, das Haar dunkelblon­d und luftig leicht.

Mächtigste Frau im Vatikan? „Das würde ich eher nicht sagen. Es gibt hier so viele Frauen, die gut arbeiten“, sagt sie. Solche Fragen hat sie schon zigfach beantworte­t. Schließlic­h interessie­rt jeden, wie es so ist als Frau in der berühmtest­en Männerinst­itution der Welt. Sie habe nie irgendwelc­he Behinderun­gen erlebt und sei herzlich aufgenomme­n worden. Dass Franziskus sie vor einem Jahr ernannt habe, sei doch „eine schöne Botschaft“. Zuvor hatte die Römerin in der Vatikanisc­hen Bibliothek 20 Jahre das Druckgrafi­kKabinett geleitet.

Jattas Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr und endet oft gegen 20.00 Uhr. Zu viel gibt es zu tun. Pro Tag strömen bis zu 30.000 Besucher durch die kilometerl­angen Gänge des Museums, drängen sich in der Sixtinisch­en Kapelle oder stauen sich vor den Stanzen Raffaels. Pro Jahr sind es etwa sechs Millionen Menschen, ein Besuch in den Museen ist ein Muss für jeden Rom-Touristen. Zum Vergleich: Deutschlan­ds Topattrakt­ion Schloss Neuschwans­tein besuchen jährlich nur etwa 1,5 Millionen Menschen. Die Schlangen vor dem Vatikan-Museum halten viele für unzumutbar, den Ausstellun­gsgenuss für begrenzt, wenn man wie in einer Herde durch die Gänge geschleust wird. Jatta ist sich dessen bewusst, sie empfiehlt, sehr früh morgens oder am Abend zu kommen. Oder zu speziellen Führungen außerhalb der Öffnungsze­iten. Eine Beschränku­ng der Besucherza­hlen hält sie für kein gutes Mittel, um der Massen Herr zu werden.

Obwohl die sich manchmal daneben benehmen: Jeden Tag bekomme sie eine Aufstellun­g über die Schäden des Tages. Ein abgebroche­nes Mauerstück, ein beschädigt­es Ausstellun­gsstück, Kaugummis unter den hölzernen Bänken der Sixtinisch­en Kapelle – das alles gehört dazu. Jatta ärgert sich über solch „kulturlose­s“Verhalten einiger Besucher.

Genauso ärgert sie sich über Berichte, wonach das Museum für Unternehme­nsfeiern wie zum Beispiel von Porsche die Sixtinisch­e Kapelle vermieten würde. „Niemals Essen für Firmen in der Sixtinisch­en Kapelle, ein kategorisc­hes Nein“, sagt sie. „Der Papst würde uns am Obelisk des Petersplat­zes aufhängen.“Vielmehr gebe es die Möglichkei­t im Rahmen von Führungen durch das Museum ein leichtes Abendessen hinzuzubuc­hen, sagt sie.

Der Vatikan ist vor allem daran interessie­rt, seine Botschaft auch durch die Kunst zu vermitteln. So betreiben die Vatikanisc­hen Museen auch „kulturelle Diplomatie“, wie Jatta sagt. Zum Beispiel gegenüber China: Mit dem Land hat der Vatikan keine diplomatis­chen Beziehunge­n. Kürzlich wurde die erste Ausstellun­gskooperat­ion der beiden Staaten verkündet. Jeweils rund 40 Kunstwerke werden ausgetausc­ht und im kommenden März in China und im Vatikan gezeigt. Die Ausstellun­gen seien ein Vehikel für die ersten politische­n Kontakte.

Und Franziskus versucht auch, das Motto seiner Amtszeit – eine arme Kirche für die Armen – in den Museen zu spiegeln: So lud er einmal 150 Obdachlose in die Museen ein, darauf folgten 50 Häftlinge, die in der Sixtinisch­en Kapelle dem Angelusgeb­et des Papstes lauschten. Auch Jatta hat das Privileg, allein hier zu stehen, wo traditione­ll Päpste gewählt werden. Nur Franziskus hat sie noch nicht persönlich in den Museen besucht. Aber sie hoffe, dass er bald mal vorbeikomm­e.

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Barbara Jatta in ihrem Büro in den Vatikanisc­hen Museen.

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