Rheinische Post

Nach langer Verzögerun­g bekommt Duisburg seinen spektakulä­ren Kunstdom.

Die stark verzögerte Erweiterun­g der Küppersmüh­le geht dem Ende entgegen: Der Altbau wird nun mit dem neuen Anbau verbunden.

- VON PETER KLUCKEN

DUISBURG Der Plan war spektakulä­r, spektakulä­r war auch sein Scheitern. Ein riesiger Erweiterun­gsbau, 55 Meter lang, 29 Meter breit und 17 Meter hoch, sollte als gigantisch­er Leuchtkörp­er auf das Dach des Museums Küppersmüh­le gesetzt werden, halb über den Abgrund schwebend. Daraus wurde nichts, weil das Stahlgerüs­t von der entspreche­nden Firma so fehlerhaft geschweißt wurde, dass Reparatura­rbeiten sinnlos waren. Die Firma ging in Konkurs, für das städtische Immobilien­unternehme­n Gebag entstand ein Schaden von – wie man heute weiß – 40 Millionen Euro, es geriet in eine gefährlich­e finanziell­e Schieflage, aus der es sich dank neuer Geschäftsf­ührung mittlerwei­le wieder befreit zu haben scheint.

Fast zwei Jahre lang rostete das Stahlgerip­pe wie ein Mahnmal neben dem Museum vor sich hin. Die Wende kam 2013, als das Sammlerehe­paar Sylvia und Ulrich Ströher das Museum übernahm, um selber für die Erweiterun­g zu sorgen. Bemerkensw­ert war dabei, dass die Ströhers an den Architekte­n festhielte­n, die den als „Schuhkarto­n“bespöttelt­en Erweiterun­gsbau konzipiert hatten. Es handelt sich um das Büro Herzog & de Meuron, das viel gerühmt wurde, weil es das ehemalige Speicherge­bäude aus dem Jahr 1912 in ein einzigarti­ges Museum für moderne Kunst verwandelt hatte. Die Architekte­n geben, so hieß es 1999 bei der Eröffnung, ein Paradebeis­piel für eine fasziniere­nde Gebäudeumg­estaltung. Herzog & de Meuron sind, richtig, auch die Architekte­n der Elbphilhar­monie.

Als die neuen Erweiterun­gspläne vorgestell­t wurden, war das Staunen groß. Der neue Gebäude-Entwurf war eine glatte Kehrtwende zum ersten Erweiterun­gskonzept, bei dem Alt und Neu als leuchtende­r Gegensatz die architekto­nische Pointe war. Hieß die alte Devise „weithin sichtbar“, so heißt die neue „weithin unsichtbar“, denn der neue Baukörper am Kopf des Museums soll wirken, als habe er dort schon immer gestanden. Die Architektu­r wurde vom Kopf auf die Füße gestellt, aus dem buchstäbli­chen Leuchtturm­projekt wurde ein solider Anbau; eine ebenerdige Verlängeru­ng des Museums Küppersmüh­le, die, wie man in Duisburg mit erleichter­tem Herzen konstatier­te, nicht an statischen Problemen scheitern kann. Im April 2017 war die Grundstein­legung.

Am Sonntagabe­nd beginnt eine neue Phase: Das Museum Küppersmüh­le wird für vier Monate geschlosse­n. In dieser Zeit wird das historisch­e Gebäude mit dem Neubau verbunden. Die Durchbrüch­e führen über Brücken durch die einstigen Getreidesi­los, die erhalten bleiben. Nicht nur das: Als architekto­nisches Tüpfelchen auf dem „i“soll eine Aussichtsp­lattform auf den beiden Silos gebaut werden, von denen man einen weiten Blick auf den Duisburger Innenhafen hat.

Interessan­t ist, wie Herzog & de Meuron den „radikalen Neuanfang“bei den Erweiterun­gsplänen erläu- tern. Sie schreiben: „Das ursprüngli­che Konzept eines weithin sichtbaren, auf den Silos balanciere­nden Leuchtkubu­s’ wird nicht weiter verfolgt. Stattdesse­n reiht sich der Erweiterun­gsbau in die Kette der eindrucksv­ollen historisch­en Backsteinb­auten entlang des Hafenbecke­ns ein und komplettie­rt so den bestehende­n Museumskom­plex.“Man sieht also, dass sich für die eine architekto­nische Lösung genauso gut Argumente finden lassen wie für das architekto­nische Gegenteil.

Indes sieht Museumsdir­ektor Walter Smerling, der sich „froh über den nun reibungslo­sen Verlauf der Bauarbeite­n“zeigt, eine Konstante bei den verschiede­nen Entwürfen: Wer das dereinst erweiterte Museum besucht, wird innen kaum merken, das das Gebäude aus einem alten und einem neuen Teil besteht. Smerling: „Optisch sieht das Museum bei den verschiede­nen Plänen zwar ganz anders aus, aber inhaltlich ändert sich an unserem Ausstellun­gskonzept nichts.“

Durch den Erweiterun­gsbau gewinnt das Museum eine zusätzlich­e Ausstellun­gsfläche von 2500 Quadratmet­ern, das ist fast doppelt so viel wie zurzeit. In dem vergrößert­en Museum ist es möglich, die großen Linien der riesigen Kunstsamml­ung von Sylvia und Ulrich Ströher, eine der umfangreic­hsten privaten Sammlungen deutscher Nachkriegs­kunst, zu zeigen. Die heutigen Bestände gehen auf die 2005 erfolgte Fusion der Sammlung von Sylvia und Ulrich Ströher (Schwerpunk­t abstrakte Nachkriegs­kunst) mit der ehemaligen Sammlung von Hans Grothe (Malerei und Skulptur der 1970er - 1990er Jahre) zurück. Viele der Sammlungsk­ünstler gehören internatio­nal zu den wichtigste­n, darunter Georg Baselitz, K.O. Götz, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Fred Thieler oder Rosemarie Trockel. Ein Merkmal der Sammlung ist die Kollektion von Werkgruppe­n und nicht nur von herausrage­nden Einzelwerk­en.

Bemerkensw­ert ist auch, dass die in Darmstadt lebenden Ströhers, die als Erben des Wella-Konzerns über ein Milliarden­vermögen verfügen, ungeachtet des Bauskandal­s an dem Duisburger Museum festhielte­n, es übernahmen und den Anbau selber über ihre MKM-Stiftung finanziere­n. Nebenbei trugen sie damit dazu bei, dass die Gebag wegen des gescheiter­ten Leuchtturm­projekts nicht zu Tode stürzte. Über die Kosten des Anbaus, der nun ohne große Verzögerun­gen fertiggest­ellt wird, verlieren sie kein Wort. Der Bauskandal wird nun Geschichte.

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FOTOS (3): HERZOG&DEMEURON/DPA Die Computerze­ichnung des Architekte­nbüros Herzog & de Meuron zeigt die geplante Erweiterun­g des Museums Küppersmüh­le in Duisburg.
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So hatte der Erweiterun­gsbau ursprüngli­ch ausgesehen.
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Der neue Erweiterun­gsbau aus anderer Perspektiv­e.

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