Rheinische Post

Geflohen, entführt, verurteilt zu lebensläng­lich

Trinh Xuan Thanh aus Vietnam war Asylbewerb­er in Berlin. Dann wurde er nach Hanoi verschlepp­t.

- VON CHRISTOPH SATOR

HANOI (dpa) Die vergangene­n beiden Wochen hatte der 52-jährige Trinh Xuan Thanh morgens immer den gleichen Weg. Im Straflager B14, einem Sondergefä­ngnis in Hanoi, wurden dem ehemaligen Chef des staatliche­n Baukonzern­s PetroVietn­am Constructi­on Handschell­en angelegt. Zwei Volkspoliz­isten – einer links, einer rechts – brachten ihn dann in das Gericht im Zentrum der Hauptstadt.

Nach zwei Wochen Prozess wurde der vietnamesi­sche Geschäftsm­ann, der vor ein paar Monaten noch ein einigermaß­en sorgloses Leben in Berlin geführt hatte, gestern wegen Korruption und Wirtschaft­sverbreche­n zu lebenslang­er Haft verurteilt, wovon Thanh wenig überrascht schien.

Vietnams Kommuniste­n hatten nie einen Hehl daraus gemacht, dass der Prozess auch der Abschrecku­ng dienen solle – Korruption ist im boomenden Einparteie­nstaat Vietnam weit verbreitet. Gleichzeit­ig wurde auch Thanhs prunkvolle­s Leben geächtet. So war er, bevor er sich 2016 nach Deutschlan­d absetzte und dort um Asyl bat, durch teure Autos aufgefalle­n. In Berlin pflegte er ebenfalls einen großzügige­n Lebensstil – bis er im Sommer 2017 bei einem Spaziergan­g im Bezirk Tiergarten plötzlich verschwand.

Die Bundesregi­erung ist sich sicher, dass Thanh vom vietnamesi­schen Geheimdien­st verschlepp­t wurde. Zwei vietnamesi­sche Diplomaten mussten Deutschlan­d deshalb verlassen, während vietnamesi­sche Medien und Staat weiter darauf beharren, dass er sich freiwillig stellte. Anfangs forderte Berlin Thanhs sofortige Rückkehr. Zuletzt waren die Bemühungen vor allem darauf ausgericht­et, dem Ex-Manager ein Todesurtei­l zu ersparen.

Thanh kam gestern um die Maximalstr­afe herum. Die Staatsanwa­ltschaft hatte schon in der ersten Pro- zesswoche darauf verzichtet, sie zu fordern. Dazu mag beigetrage­n haben, dass seine Familie einen Großteil der Summe, die Thanh abgezweigt haben soll, an den Staat zahlte. Auf diese Weise lassen sich in Vietnam Strafen mildern.

Auch weil Thanh in einem weiteren, morgen beginnende­n Verfahren doch noch zum Tode verurteilt werden könnte, war seine Mutter Thi Ngoc Kha über das Urteil enttäuscht. „Ich bin sehr traurig und unzufriede­n“, sagte sie. „Sie werfen ihm das immer noch vor, aber mein Sohn hat kein Geld unterschla­gen.“Seine deutsche Anwältin Petra Schlagenha­uf – die nicht nach Vietnam einreisen durfte – protestier­te in Berlin dagegen, dass Thanh nach einer „verbrecher­ischen Entführung“nun ein „rechtsstaa­tswidriges Verfahren“gemacht worden sei.

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Trinh Xuan Thanh gestern in Handschell­en in Hanoi.

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