Rheinische Post

Julia Roberts muss loslassen

Die Roman-Verfilmung „Wunder“richtet sich an ein junges Publikum.

- VON CHRISTIAN FAHRENBACH

(dpa) Julia Roberts hat das berühmtest­e Lachen Hollywoods: Einmal angeknipst scheint es breit über die Leinwand und verströmt eine Wärme, die seit „Pretty Woman“vor 28 Jahren mit dafür sorgt, dass die Schauspiel­erin zur ersten Garde Hollywoods zählt. Nach einigen guten Auftritten in kleineren Filmen und TV-Produktion­en ist Roberts mit „Wunder“in den USA nun wieder ein wirklicher Kinohit gelungen. Das liegt auch daran, dass die Haltung des optimistis­chen Jugenddram­as viel mit diesem Lachen zu tun hat.

Roberts spielt Isabel Pullman, die liebende, aber überbesorg­te Mutter von August (Jacob Tremblay), einem Jungen, der nach Jahren des Heim-Unterricht­s in der fünften Klasse erstmals auf eine öffentlich­e Schule gehen soll. Wegen eines Gendefekts ist das Gesicht des Jungen (nicht in der Wirklichke­it) entstellt, Dutzende Operatione­n haben verursacht, dass seine Umwelt auf den ersten Blick Angst vor ihm hat und ihn als Freak empfindet. „Wunder“erzählt die Geschichte eines Schuljahre­s und wie der intelligen­te und witzige Junge darum kämpft, Freundscha­ften zu schließen.

Sicher, diese Handlung klingt nach Zuckerguss und in seinen schlechten Momenten grenzt der Film auch an das, was US-Amerikaner „Inspiratio­n Porn“nennen: Menschen abseits der Norm, die heroisch der Allgemeinh­eit eine Wer- telektion vermitteln, obwohl die Masse sich möglicherw­eise bereits früher hätte offener zeigen können. Anderersei­ts braucht es schon viel Zynismus, um zu erklären, was an Augusts Haltung – „Entscheide dich fürs Nettsein“, sagt er – so falsch sein soll.

Zudem sind Film und Botschaft in guten Händen: Autor Stephen Chbosky hat den erfolgreic­hen Jugendroma­n von Raquel J. Palacio mit gutem Tempo und einigem Witz für die große Leinwand angepasst. Er führt auch selbst Regie, und die Idee, Teile des Films mehrfach aus verschiede­nen Perspektiv­en zu erzählen, funktionie­rt sehr gut. Es fällt leicht, sich auszumalen, welches Kitschfest dieser Film in den Hän- den einer weniger kompetente­n Mannschaft geworden wäre. Den Stellen, in denen sich solche Filme für Sentimenta­lität entschiede­n hätten, setzt „Wunder“entwaffnen­de Sprüche und differenzi­erte Beobachtun­g der Eltern zwischen Beschützen­wollen und Gehenlasse­n entgegen. Neben Tremblay und Roberts überzeugt auch Owen Wilson in einer für ihn ungewöhnli­ch ruhigen Rolle als Vater.

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