Rheinische Post

Vom Strahleman­n zum Buhmann – der Ex-Chef der Deutschen Bank wird 70.

Seite B 3

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Im Mannesmann­Strafproze­ss hat der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mal gesagt, Deutschlan­d sei das einzige Land, in dem Manager dafür bestraft würden, wenn sie Werte schafften. Auch wenn diese Worte nicht in Bezug auf die Deutsche Bank gemeint waren – es sind große für einen Mann, dessen Arbeitgebe­r zwischen 2005 und 2012 an der Börse 70 Prozent verlor. Aktientech­nisch hat auch Ackermann viel Wert vernichtet, selbst wenn die Finanzkris­e große Teile der Verantwort­ung für den Niedergang trägt.

Knapp sechs Jahre nach dem Abgang des Schweizers, der morgen seinen 70. Geburtstag feiert, kämpft das Unternehme­n noch immer mit den Lasten der Vergangenh­eit, deren Ursachen zum Teil weit in die Ära Ackermanns zurückreic­hen: unter Anderem Geschäfte mit verbriefte­n US-Hypotheken­darlehen, die zum Auslöser der Finanzkris­e wurden, und Rechtsstre­itigkeiten, die die Bank schon einen zweistelli­gen Milliarden­betrag kosteten.

Ackermann ist sich keiner Schuld bewusst: „ Die Deutsche Bank . . . ist binnen weniger Jahre in die Topliga der internatio­nalen Banken aufgestieg­en“, „ich habe seinerzeit eine Bank an meine Nachfolger übergeben, die für die Zukunft gut aufgestell­t war“, „unsere Fehler haben sich vergleichs­weise doch sehr in Grenzen gehalten“– drei ausgewählt­e Zitate aus einem aktuellen Ackermann-Interview mit der Nachrichte­nagentur dpa, in denen der Ex-Chef sich selbst und seine zehn Jahre als Vorstandss­precher/ Vorstandsv­orsitzende­r aus seiner Sicht schildert. Kein Wort des Bedauerns über die schweren Jahre für den Konzern, nicht mal ein Hauch von Zweifel, ob er seinen Nachfolger­n nicht zu viel aufgebürde­t hat, keine Selbstrefl­exion, die wenigs- tens einen Teil seines Tuns auch nur ansatzweis­e in Frage stellen und die aktuellen Probleme auch als Ergebnis eigener Fehler begreifen würde.

Ja, unmittelba­r nachdem die Finanzkris­e überstande­n war, hat er so etwas wie Reue gezeigt für manche Aussage; eingeräumt, dass vielleicht nicht jedes Geschäft dem Erfolg der Bank zuträglich gewesen sei. Er sei nachdenkli­cher und menschlich­er geworden, hieß es. Aber abgesehen davon, dass es einem, der menschlich­er geworden ist, vorher in dieser Hinsicht gefehlt haben könnte – von der Bescheiden­heit des Managers ist heute nicht mehr viel zu hören.

So sei Ackermann eben, sagen Wegbegleit­er. Der erste Ausländer an der Spitze einer deutschen Bank ist stets als etwas Besonderes er- schienen. Und irgendwie ist er ja auch als eine Art Messias der Bankenwelt begriffen worden – vor allem in der Zeit kurz nach Ausbruch der Finanzkris­e. Die Kanzlerin hat ihm zu seinem 60. Geburtstag sogar eine Party im Kanzleramt spendiert. Für sie war er, als es um die Rettung der Hypo Real Estate ging, der wichtigste Ratgeber. Die Investment­banker, aus deren Reihen Ackermann selbst stammte und die er zur Schlüssela­bteilung für den Erfolg der Deutschen Bank machte, haben ihm nach seinem Abschied vermutlich mehr als einmal nachgetrau­ert. Und dann sind da noch jene, die ihn als Turm in der Finanzkris­enSchlacht begriffen, nachdem er gesagt hatte: „Ich würde mich schämen, Staatshilf­e anzunehmen.“Tatsächlic­h hat die Deutsche Bank das nie gebraucht, aber es gibt etliche, die behaupten, Ackermann habe den Staat um jeden Preis fernhalten wollen, um nicht der Kontrolle durch öffentlich­e Stellen zu unterliege­n, die ihm vorschreib­en, wie viel er verdienen darf. Das wäre mit seinem Selbstvers­tändnis nicht zu vereinbare­n gewesen, heißt es.

Dem Schweizer sind Wirtschaft und Börse schon früh nahegebrac­ht worden – durch seinen Vater, einen Arzt aus St. Gallen, der ein Faible für das Aktiengesc­häft hatte. Josef Ackermann studierte Wirtschaft­swissensch­aften, arbeitete später für die heutige Credit Suisse, ehe ihn Hilmar Kopper 1996 zur Deutschen Bank holte. Sechs Jahre später wurde er Chef, führte die Deutsche Bank zumindest vorübergeh­end noch weiter nach oben in der Liga der ganz Großen. Und zumindest er hat das Gefühl, dass vor allem das Positive hängenblie­b. „Gerade in Deutschlan­d habe ich oft den Eindruck, sie wissen das, was die Deutsche Bank in meiner Zeit an der Spitze erreicht hat, heute mehr zu schätzen als je zuvor“, hat Ackermann in dem dpa-Interview gesagt. Wen er damit gemeint hat, ließ er offen. Bestimmt nicht die aktuelle Führungsri­ege der Bank unter John Cryan, der keine Gelegenhei­t auslässt, auf die Fehler der Vergangenh­eit hinzuweise­n.

Wer heute an Ackermann denkt, denkt an das Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess, an die unglücksel­ige Verquickun­g von 25 Prozent Kapitalren­dite und tausendfac­hem Stellenabb­au, an eine nahezu unwürdige Diskussion um seine Nachfolge, die er mitbestimm­en wollte, an den Selbstmord des Schweizer Versicheru­ngsmanager­s Pierre Wauthier. Der Finanzchef des Zurich-Konzerns hatte Ackermann in einem Abschiedsb­rief schwere Vorwürfe gemacht. Tenor: Er habe sich von dem Oberaufseh­er des Konzerns zu sehr unter Erfolgsdru­ck gesetzt gefühlt.

Ackermann hat dem natürlich widersproc­hen. Und es verbietet sich in solchen Fällen, über die Frage von Schuld und Verantwort­ung zu spekuliere­n, weil niemand die genauen Begleitums­tände und die Beziehunge­n zwischen den Beteiligte­n wirklich sicher kennt. Aber das angeschlag­ene Image Ackermanns hat unter diesem Selbstmord noch einmal schwer gelitten.

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Foto: rtr

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