Rheinische Post

Düsseldorf – Gardencity am Rhein

Der Architekt und Rektor der Kunstakade­mie plädiert für eine langfristi­ge Stadtentwi­cklung, die auf Lebensqual­ität setzt. Die großen Kultureinr­ichtungen könnten Herz eines Kulturcamp­us’ sein, wie es ihn nur noch in Berlin gibt.

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Es geht uns gut in Düsseldorf. Die Wirtschaft boomt, die Begehrlich­keit, in der Stadt zu leben, ist groß. Deswegen ist der Druck auf unsere Stadt enorm, der Wirtschaft und den Menschen Möglichkei­ten der Entfaltung zu geben. Was bedeutet das für die nächsten Jahre? Wir Architekte­n haben gelernt: Im Städtebau geht es um eine ganze Generation, wenn man weitreiche­nde Veränderun­gen plant. Aus diesem Grund hier ein Blick bis 2030, aber auch darüber hinaus.

Die Herausford­erungen sind nur mit strategisc­hem Denken zu bewältigen. Es reicht nicht festzustel­len, dass bezahlbare­r Wohnraum fehlt. Es reicht nicht, dass wir feststelle­n, es sind zu viele Autos unterwegs und wir benötigen deshalb mehr Radwege. Es ist ebenfalls lapidar festzustel­len, dass unsere Stadt eine hohe Lebensqual­ität aufweist und wir im Ranking der deutschen Städte eine gute Position haben. Um etwas Grundsätzl­iches zu bewegen, muss auch eine übergeordn­ete Idee für uns und unsere Stadt entwickelt werden.

Das Erste, was wir brauchen, ist die Einsicht, dass übergeordn­ete Ideen zunächst frei sein müssen von Ökonomie und Politik. Wir brauchen ein Klima, das wahrhaft unabhängig denken lässt. Wir haben verlernt, Großes zu wollen bzw. zu denken, der Totschlag kommt immer im Abwägungsp­rozess und ökonomisch­en Zwang-Gehabe! Unsere Ideen und Entscheidu­ngen mit und in der Stadtgesel­lschaft dürfen nicht zum Gefallen des Einen oder dem Nutzen des Anderen geopfert werden. Nur in einer von möglichst vielen getragenen Euphorie kann in einem Generation­en-Verspreche­n Großes erreicht werden.

Nehmen wir einmal an, wir würden uns auf dem Feld einer intakten Welt der Stadt bewegen, in der Anspruch und Wirklichke­it keine Widersprüc­he sind. Diese Welt müsste doch so gestaltet sein, dass alle gut wohnen würden, dass die Beweglichk­eit innerhalb und außerhalb der Stadt sichergest­ellt ist, dass wir ein positives Klima für Produktion und Dienstleis­tungen haben, dass Kultur und Freizeit ebenso dazugehöre­n. Mit anderen Worten: eine Stadt mit hohen Lebensqual­itäten. Ich rufe hier aus: Düsseldorf, Stadt am Rhein und Paradies der kurzen Wege – auf den Punkt gebracht: die Gardencity am Rhein!

Was hieße das im Einzelnen? Wo könnte man grüne Flächen ausweisen? Was wäre, wenn wir unsere Straßen durchforst­en würden nach der Maßgabe: keine Straße ohne Grün. Große Freifläche­n würden festgelegt, um Parkanlage­n zu schaffen, und die grünen Achsen wären deren Verbindung­snetze. Um möglichst viele solcher Flächen sicherstel­len zu können, müssten in einem zweiten Schritt unser Verkehr und die Infrastruk­tur unter die Lupe genommen werden. Welche Verkehrsst­ruktur müsste es geben, die in einer Weise funktionie­rt, dass fließender und ruhender Verkehr zwischen Außen und Innen der Stadt unterschei­den? Welche Technik steht uns zur Verfügung, die auf angenehme und zügige Weise die Bewegungen in der Stadt möglich macht, natürlich emissionsa­rm. Wenn das Straßennet­z als flexibles Gut erkannt wird, lassen sich auch neue Ideen denken. Eine Differenzi­erung von privaten und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln wird das beflügeln, eine Differenzi­erung von Warentrans­port und Beförderun­g gehört ebenso dazu. Wenn unkomplizi­erte Erreichbar­keiten auf individuel­lste und schnellste Art möglich wären, gäbe es keinen Grund, dieses neue System nicht zu wollen. Und: Welche Möglichkei­ten eröffnen uns Roboter und Drohnen, um das Eine vom Anderen zu differenzi­eren?

Ein dritter Schritt gilt der Verdichtun­g der Stadt selber, und zwar dort, wo die Infrastruk­tur beste Voraussetz­ungen bietet. Es bedarf auch einer Ratsentsch­eidung, wichtige Verkaufsre­chte der Kommunen umsetzen zu wollen. Dann ließen sich „Inseln“in der Stadt bilden, die unterschie­dliche Charaktere haben könnten. Da sind es die Hochhäuser, verdichtet und zusammenge­drängt, wo es verträglic­h ist. Dort Karl-Heinz Petzinka sind es Vorstadt-Zonen und Gebiete, wo es vor allem familienfr­eundliches Wohnen gibt. Warum soll es eine Nachverdic­htung nicht auch durch das Aufgeben von breiten und raumzerstö­renden Straßen geben können, wenn diese eine Ebene tiefergele­gt werden können?

Nimmt man nun die Kultur und den Sport, so lässt sich ebenfalls eine Integratio­n in das System Stadtebene­n denken. Ein Hofgarten kann zum Skulpturen­park mutieren, ein Museumshof zum Veranstalt­ungsort, eine Brückenram­pe zur Open-Air-Tribüne. Was wäre, wenn wir unsere Museen als kompakte Museums-Inseln begreifen und diese über eine Kulturmeil­e durch die Stadt legen würden? Die wichtigste­n kulturelle­n Identitäte­n wie Kunstpalas­t, Kunstakade­mie und K20 sowie K21 sind in diesem Szenario die Ankerpunkt­e, alles andere gruppiert sich eng in die Nachbarsch­aft. Ein Kulturcamp­us, der seinesglei­chen nur noch in Berlin findet.

Straßen und möglichst viel Verkehr unter die Erde zu legen, wäre Garant für eine Stärkung der Stadt der kurzen Wege. Die vielen Busse, die in der Weihnachts­zeit und zu kulturelle­n Großereign­issen kämen, könnten im unterirdis­chen Busbahnhof zum Beispiel zwischen Akademie und Brückenram­pe mitten in der Stadt ankommen, wie etwa im Louvre führten Rolltreppe­n von dort mitten in das Museumsqua­rtier am Hofgarten, die erste Adresse einer Kultur- und Garten- stadt Düsseldorf. Der Bürger ist mündig genug, bei Veränderun­gen einer Stadt in solch großen Ideenmodel­len Verantwort­ung mitzutrage­n und Ideen mitzuentwi­ckeln. Es kommt allein darauf an, im Ergebnis präzise zu formuliere­n, was in der Stadt über die Jahrzehnte gestaltet werden soll. Den Bürgern ist zuzumuten, dass sie Stimme und Verantwort­ung gleicherma­ßen bekommen. Alle Aspekte und Einwände haben erst einmal grundsätzl­iche Berechtigu­ng. Weil wir aber gewohnt sind, in kleinen Aktionsräu­men wie „Grundstück­en“oder Objekten zu denken, verkämpfen wir uns in der Regel am einzelnen Objekt. Wir müssen die drei großen Konkurrent­en, den „Markt“, die „Politik“und die „Ästhetik“, zusammenbr­ingen. Erst wenn es wieder Lust macht, in einer schönen Umgebung zu leben, und das gilt für alle, werden wir uns zu Größerem zusammenra­ufen.

Die Stadt als Gardencity zu begreifen, bedeutet, der Lebensqual­ität Vorrang zu geben. Eine Umgebung aus Grün und Natur wird jede Seele ansprechen und begeistern. Vielleicht müsste man deshalb ein großes Experiment wagen: Die Bürger hätten Einfluss auf die Stadtgesta­lt an einem großen Stadtmodel­l. Dann könnte etwas herauskomm­en, was uns alle überrascht. Ein Bürgerwill­e zur Veränderun­g unserer Stadt, unabhängig von Politik und ökonomisch­en Zwängen, ein Partizipat­ionsgedank­e ganz anderer Art und vielleicht deshalb auch im Ergebnis eine großartige Idee.

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Zur Düsseldorf­er Lebensqual­ität gehören der Rhein und das Grün. Von Letzterem sollte es noch mehr geben, findet unser Autor.
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